Als jemand die viele Barcamps besucht, passiert es selten, dass ich im Anschluss sofort Mitglied in einer Community werden mag. Letzte Woche war ich mit meiner Kollegin Kirsten Kratz auf dem SIETAR Barcamp in Bonn und über unsere Erfahrungen möchten wir nun berichten.

SIETAR Deutschland ist ein 1994 gegründetes weltweites Netzwerk von interkulturell Interessierten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Es verfügt über acht regionale Gruppen in Deutschland. Alle zwei Jahre (in den geraden Jahren) veranstaltet SIETAR Deutschland eine Konferenz.

Wir beide, Kirsten und ich, beschäftigen uns mit Veränderungsprozessen in Organisationen, die sowohl die Führungs- wie auch die Organisationskultur beeinflussen. Wir arbeiten im In- und Ausland, bspw. begleiten wir in dem jeweiligen Land ansässige Unternehmen sowie multikulturelle Teams und fördern globale Kooperation.

Bei dem Barcamp von SIETAR interessierten wir uns dafür, Anknüpfung im interkulturellen Bereich zu finden, uns international zu vernetzen und gemeinsam miteinander vor Ort zu arbeiten. Dabei trafen wir auf viele interessante Menschen und Themen.

Besonders gefallen hat uns die aufgeschlossene Diskussions- und Gesprächskultur an den beiden Tagen, mit wenig Fokus auf das eigene Ego, was erfrischend war und zu interessanten durchaus emotionalen Diskussionen führte. Wir erlebten, dass die Gruppen um das Thema rangen und alle Gesprächsteilnehmer sich intensiv und mit Herz und Verstand eingebracht haben, um so viele Perspektiven wie möglich einzubeziehen. So gewannen die von uns besuchten Sessions in kurzer Zeit eine Tiefe, die uns so bisher nur selten begegnet war. Wir haben viel über andere Nationen sowie über unsere Eigen- und Fremdbilder (Vorurteile?) gelernt. Weiter hat sich unser Blick dadurch geweitet, dass wir völlig neue Kontexte, wie beispielsweise Integration, interkulturelle Arbeitswelten, etc.  kennengelernt haben.

Wir haben sowohl verschiedene Sessions selber besucht als auch Sessions angeboten. Hierbei ging es u.a. um folgende Themenstellungen:

  • Interkulturelle Trainings – standardisiert vs. individuell
  • Angst ist ein schlechter Begleiter (Session von Claudia)
  • Unconscious Bias (Definition Bias) – Kosmetik oder Türöffner
  • Integration ja, aber nicht in meiner Nachbarschaft
  • Werte (Session von Kirsten)
  • Fallberatung
  • Komplexität für uns Interkulturalisten reduzieren und agil managen
  • Interkulturelle Organisationsentwicklung

Ich, Kirsten habe aus der Session „Komplexität managen“ einen wichtigen Gedanken mitgenommen. Es gilt nicht, Komplexität zu reduzieren. Es geht eher darum, mit der Komplexität zu spielen und die durch Komplexität entstehende kreative Spannung zu nutzen. In dem Sinne eines Akkordeon-Spielers: Prozesse öffnen und Komplexität aushalten und zulassen. Dann wieder schließen und einen sicheren Rahmen für das Machbare herstellen. Dieses Bild nehme ich gerne mit in meine Beratungsarbeit.

Mir, Claudia,  gefiel es besonders, dass die Teilnehmenden ganz selbstverständlich dafür sorgten, in den Diskussionen Begriffe zu klären und achtsam miteinander zu sprechen. Vermutlich lag dies an der Vielfalt der unterschiedlichen Nationalitäten auf dem Barcamp und dass das Gesprochene nicht als selbsterklärend genommen wurde, wie das so häufig bei nur deutschen Muttersprachlern passiert. Obgleich es hier genauso wenig klar ist, ob man unter dem Begriff das Gleiche versteht, dies jedoch nicht überprüft und häufig aneinander vorbeiredet ;).

Die Systemtheorie hat uns gelehrt, dass sich in sozialen Systemen eine Eigendynamik entwickelt und es nur schwer möglich ist, linear darauf Einfluss zu nehmen. Sollen gesellschaftlich relevante Themen von einer Gruppe reflektiert und besprochen werden, ist es nützlich, dass sich diese Unterschiede in der Gruppe widerspiegeln. Nur dadurch können wie von alleine gesellschaftlich relevante Themen besprochen werden, weil es dann Menschen geben wird, die über dieses Erfahrungswissen verfügen und diese Themen authentisch und gefühlvoll einbringen (können). Das diesjährige Motto „Austausch – Atmosphäre – Vielfalt“ hat für uns gepasst.

Herzliche Grüße von Kirsten und Claudia