Wie setzen Unternehmen Veränderungen in Bewegung? Wie bekommen Sie Schwung in einen Prozess, bei dem sie unter Umständen auch auf Widerstand stoßen? In dieser Blogserie geht es um die äußere Mobilisierung zum gemeinsamen Handeln und die Einbeziehung aktiver Unterstützer (statt um das vergebliche Steuern intrinsischer Motivation). Sie lernen Methoden dafür kennen und die Grundregeln mobilisierender Kommunikation. Teil 1:
Über kaum ein Thema gibt es so viele Handbücher, Ratgeber und Management-Tipps wie zum Thema Motivation. Es gibt „Motivationstricks“, „Motivationskurse“, „Motivationsgespräche“ und „Motivationskiller“. Viele Führungskräfte versuchen verzweifelt, ihre Mitarbeiter zu motivieren. Und merken dann irgendwann, dass sie zumindest schon einfach mal sein lassen können, was andere bremst und nervt und demotiviert. Denn die meisten Menschen lassen sich gar nicht von außen motivieren und damit steuern. Motivation ist vor allem ein intrinsischer, ein innerer Prozess.
Doch neben dem Motivieren gibt es ein anderes Wort, das sich aus demselben lateinischen Stamm (movere = bewegen) entwickelt hat: Das Mobilisieren.
Mobilisieren bezeichnet ein bewusstes in Bewegung setzen, aktivieren und beflügeln. Damit ist eine Mobilisierung genau das, was Unternehmen und Organisationen bei ihrer Entwicklung brauchen. Denn jenseits der höchst unterschiedlichen Motivationsmuster der einzelnen Mitarbeiter zählt doch vor allem eines: Das Tun. Mobilisierung im unternehmerischen Sinn setzt außen an, bei den bereits vorhandenen Überzeugungen, und hat nicht das Steuern von Stimmungen und Haltungen zum Ziel. Nur gemeinsame Taten helfen Organisationen, wenn sie sich verändern und Schritt für Schritt weiterentwickeln wollen. Also genau das richtige für Unternehmen auf dem Weg in eine neue Arbeitswelt!
Da wundert es eigentlich, dass das Mobilisieren in Unternehmen so wenig Beachtung findet. Mobilisierung findet anderswo statt: In der Medizin werden Gelenke mobilisiert und Kranke zum Laufen gebracht. Im militärischen Bereich wird „Mobilmachung“ befohlen. In Wahlkämpfen und politischen Kampagnen wird Mobilisierung wird mobilisiert – und das wird schnell mit böser Manipulation gleichgesetzt.
Corporate Grassroots mobilisiert freiwilliges Engagement
Wenn wir in der Arbeitswelt „Mobilisieren statt Motivieren“ wollen, brauchen wir einen zeitgemäßen und intelligenten Mobilisierungs-Ansatz für Organisationen und die Methodik dazu. Diesen Ansatz gibt es: Ich bin fündig geworden beim Corporate Grassroots Management (und mittlerweile auch Mitglied im Kernteam von Europas erster Corporate Grassroots Factory für unternehmerisches „Fan-Management“).
Der Grassroots-Begriff stammt aus den USA, wo soziale und politische Basis-Bewegungen als „Grassroots Movement“ bezeichnet werden. In Deutschland weckt das Wort „Graswurzel-Bewegung“ heute eher die Vorstellung von ökofundamentalistischen Landkommunen. In den USA wurden zum Beispiel die erfolgreichen Obama-Wahlkämpfe als mobilisierende „Grassroots“ Kampagne organisiert. Auch Unternehmen setzen bei bestimmten Anliegen auf „Grassroots“-Fürsprecher und Unterstützer und geben dem freiwilligem Engagement von Fans eine Organisationsform und einen klaren Rahmen. In vielen US-Firmen gibt es bereits Corporate Grassroots Manager als etablierten Bestandteil der Unternehmenskommunikation.
Grassroots, das ist die Basis, das ist die Energie, die Organisationen entgegenwächst und sie trägt. Im unternehmerischen Sinn lassen sich diese überzeugten Unterstützer im Prinzip unter allen Stakeholder-Gruppen finden: In der Organisationentwicklung sind zu zu allererst die Mitarbeiter, es können aber auch Kunden sein, Lieferanten, Partner, Messebesucher…
Unternehmerische Grassroots-Arbeit hat das Ziel, vorhandene Begeisterung und Überzeugungen gezielt sichtbar zu machen, Fans und Unterstützer zu mobilisieren und Engagement einen passenden Rahmen zu geben.
Corporate Grassroots Management will nicht mit Anreizen motivieren, sondern nutzt bereits vorhandene Motivation und Begeisterung, um Rückenwind für Projekte zu gewinnen und Dinge richtig ins Laufen zu bringen.
Rückenwind für Organisationsentwicklung und Change
Wenn Sie in Ihrem Unternehmen eine Entwicklung anstoßen möchten, vielleicht für mehr Selbstorganisation und kollegiale Führung, dann stellt sich sofort die Frage nach den
Beharrungskräften in Ihrem System. Wie bringen Sie Bewegung und Aktivität in den Laden?
Das klassische Change Management kennt neben den üblichen Motivationshilfen vor allem den “Kampf gegen Widerstand” mit einem beachtlichen Arsenal an Instrumenten bzw Waffen. Es gibt Gremien, Boards, Projekt- und Arbeitsgruppen zur selektiven Beteiligung. Es gibt Change Agenten und Paten und Multiplikatoren. Es gibt extrinsische Maßnahmen zur Motivation: Prämien, Boni, Belohnungen. Im schlimmsten Fall stehen individuelle Führungs- und Feedback-Gespräche zur „Dringlichkeitsverdeutlichung“ im Kalender, nach dem Motto: „Bitte, liebe Menschen, bitte bewegt Euch zumindest ein kleines bisschen. Sonst passiert was…“ Das alles oft flankiert von einer Kommunikation top down bei sorgfältiger Wahrung der hierarchischen Kleiderordnung. Es wird von Stufe zu Stufe hinab kommuniziert. Was dann „unten“ ankommt ist mitunter ziemlich skurril.
Schade: Fehlgeleitetes Engagement
Ich kenne ein Unternehmen, in dem nach einem verkorksten Jahr des Wandels viele wichtige Mitarbeiter gekündigt haben, weil einfach niemandem klar ist, wohin die Reise geht. Als Motivationsmaßnahme werden die verbleibenden Kollegen zu einer 4-tägigen Weihnachtsfeier auf eine Insel eingeladen. Hoffnung der Führung: „Das schweißt uns zusammen.“ Effekt auf Mitarbeiter: „Feine Sache. Das nehme ich noch mit und kündige dann eben erst im Januar.“
In einem anderen Unternehmen wird ein großer Transformationsprozess angestoßen. Es werden zu bestimmten Themen Projektgruppen gebildet, für die sich die Mitarbeiter bewerben können. Es bewerben sich viel mehr Mitarbeiter als gedacht. Der Auswahlprozess wird schwierig. Die „Abgelehnten“ finden sich und bilden eigene informelle Gruppen, die die Arbeit der „Auserwählten“ kritisch bis destruktiv begleitet. Doch die Projektgruppen stoßen auch auf anderen auf Widerstand – in der Chefetage. Aufgrund von unklaren Rahmenbedingungen schießen manche Gruppenergebnisse weit über die Vorstellungen der Geschäftsführer hinaus. Sie bleiben in der Schublade liegen und werden nicht einmal zur internen Diskussion kommuniziert. Dann passiert das, was heutzutage eben passiert: Die Ergebnisse werden nach Monaten im Haus „geleakt“, also gezielt anonym verbreitet. Vertrauen, Engagement zerstört.
Der Blick durch die „Fan-Brille“
Was ist die Alternative dazu? In der Grassroots-Logik liegt die Chance in der Mobilisierung derjenigen Kräfte, die den Wandel im Prinzip unterstützen. Erlauben Sie den Unterstützern der Veränderung, ALLEN Unterstützern, das zu tun, was Unterstützer gerne tun: Mitmachen, handeln, Dinge vorantreiben.
Wechseln wir mal die Perspektive und setzen statt der „Motivations-Brille“ nur zum Spaß einmal die „Mobilisierungs-Brille“ auf, die „Fan-Brille“. Durch diese Brille sehen wir erstmal die möglichen Fans für unser Vorhaben. Fans sind emotional. Fans setzen sich ein – wenn Ihnen die Gelegenheit dafür gegeben wird. Unterstützer und Fans schenken Ideen und Engagement, weil ihnen die Sache am Herzen liegt, nicht, weil ein Bonus winkt oder Konsequenzen drohen.
Und wenn Sie nun aus dieser Perspektive überhaupt keine potentiellen Unterstützer für Ihr Anliegen sehen? Setzen Sie jetzt bitte nicht sofort wieder die „Motivations-Brille“ auf und suchen nach freundlichen oder eher unfreundlichen Anreizen. Sondern fragen Sie Ihre Mitarbeiter, was ihnen am Herzen liegt. Wofür sich Engagement und Bewegung lohnen würde. Und lassen Sie den ursprünglichen Plan ruhig in der Schublade.
Es folgen in der Blogserie „Mobilisieren statt Motivieren“ in lockerer Folge:
Teil 2: Engagement braucht einen klaren Rahmen
Teil 3: Agile Management-Haltung bei der Arbeit mit Unterstützern
Teil 4: Organisation und Kernprozess der Arbeit mit Unterstützern
Teil 5: Mobilisierende Kommunikation
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