Dieser Blog-Beitrag erschien zuerst auf System-Analyst.

Wie im vorletzten Blog beschrieben, besteht Feedback aus zwei Kommunikationstechniken:

  • Ich-Botschaften und
  • Aktives Zuhören.

Dieser Blogbeitrag beschreibt, worum es beim aktiven Zuhören geht und wie es funktioniert, so dass Sie es gleich ausprobieren können. Die Technik der Ich-Botschaften werde ich im nächsten Blogbeitrag beschreiben.

Aktives Zuhören von Carl Rogers

Aktives Zuhören ist eine sehr kraftvolle Kommunikations-Technik und in jeder Situation nützlich, d.h. Sie können es so gut wie in jeder Gesprächssituation anwenden und nicht nur, wenn Sie Feedback geben wollen.

Es wirkt wertschätzend und verlangsamt die Gesprächsdynamik. Weiter hilft es den Gesprächsbeteiligten zu überprüfen, ob man sich „richtig“ verstanden hat. Damit meine ich, ob das Gehörte verstanden wurde und die Intention des Gesagten den Beteiligten klar wurde.

Warum macht es Sinn, aktiv zuzuhören und was ist damit gemeint?

Grundsätzlich gehen Menschen oft davon aus, dass das Gesagte beim Gesprächsempfänger eins zu eins angekommen ist und beide sich daher auch eins zu eins verstehen müssten. Auch bei Texten gehen wir meist davon aus, dass die „Wahrheit“ ja quasi schwarz auf weiß auf dem Papier stünde und daher alles klar sei.

In einem entspannten Gespräch fühlt sich zudem die Schnittmenge des gemeinsamen Verständnisses oft sehr hoch an, beispielsweise hat mein Gegenüber angenehm zu meinen Aussagen genickt oder öfter auch mal „Ja“ gesagt, so dass ich den Eindruck gewann, alles was ich sagte, sei verstanden worden. Die Schnittmenge des gemeinsamen Verständnisses ist jedoch dennoch relativ gering. Wie kommt das?

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Die Qualität des gemeinsamen Verständnisses hängt von vielen Faktoren ab: Unter anderem, wie gut man sich kennt, wie gut wir miteinander eingespielt ist, wie der aktuelle Kontext ist, ob wir unter Zeitdruck und Stress kommunizieren, wieviel Emotionalität im Spiel ist, etc. Dies wirkt körperlich bei der Kommunikation immer mit und beeinflusst unterschiedlich stark unsere Wahrnehmung.

Heute weiß man, dass sowohl Sender als auch Empfänger bei der Konstruktion von Wirklichkeit viele schnelle Einzelschritte i.d.R. unbewusst durchlaufen: Jeder der Gesprächspartner hat dabei Wahlmöglichkeiten, was und wieviel er aufnehmen mag. Diese Auswahl wird interpretiert und sofort bewertet. Dabei können voneinander höchst unterschiedliche Wahrnehmungen entstehen, da das Ganze subjektiv und sehr schnell abläuft. Und dieser Vorgang geschieht nicht sichtbar. Was hinter der jeweiligen Stirn abläuft, bleibt somit eine Art black box.

In manchen Situationen, insbesondere bei Zeitdruck oder wenn hohe Emotionalität (Bsp.: Begeisterung, Euphorie, Verliebtheit, Ärger, Druck, Sorge, u.a.) im Raum ist, ist es daher unbestreitbar notwendig, einen Gang zurückzuschalten, da unsere Wahrnehmung stärker von körperlichen Abläufen beeinflusst wird.
D.h. wenn wir merken, dass das Gesprächstempo eine so hohe Dynamik hat, dass wir nur noch aneinander vorbeireden, wenn ich mich unverstanden oder ungehört fühle, den anderen partout nicht verstehe, unbefriedigende oder auch unangenehme Gefühle während des Gesprächs entstehen, etc. könnte dies ein Wink für „höre jetzt aktiv zu“ sein, um Mißverständnisse zu vermeiden und in die black box hineinzuschauen.

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Wie funktioniert‘s?

Aktives Zuhören ist eine Tätigkeit. Einige Kunden äußern nach dem erstmaligen Anwenden, dass es anstrengend sei, so konzentriert jemand zuzuhören und es sich wie harte Arbeit anfühle. Dieser anfängliche Effekt ist m.E. erstmals der mangelnden Praxis geschuldet und gibt sich mit der Zeit.

Dennoch bleibt Aktives Zuhören eine bewusste Aktion. Ich fokussiere mich auf meinen Gesprächspartner mit meiner vollen Aufmerksamkeit und Zeit. Ich versuche das Störrauschen (bspw. sogenanntes Kopf-Kino, umherwandernde Gedanken, Umgebungsgeräusche, Störungen, Musik, Bilder, Lösungsideen, Tipps, usw.) aus meiner Aufmerksamkeit zu verbannen und erst einmal nur meinem Gegenüber zuzuhören.
Wichtig: Beim Aktiven Zuhören führt der Sprechende.

D.h. als Zuhörender vermeide ich es, das Gespräch mit Fragen zu lenken. Natürlich sind Verständnisfragen erlaubt.

Von Zeit zu Zeit fasse ich nun das Verstandene zusammen und gebe in eigenen Worten wider. Selbstverständlich kann ich auch dabei mit Frageformulierungen anfangen wie „Ah interessant, habe ich Dich richtig verstanden, dass Du…“, „Ah, Du meinst also, dass…“ usw.

Was passiert dadurch, dass ich nun wiedergebe was ich verstanden habe? Zum Einen werden möglicherweise meine Interpretationen, die ja normalerweise nur unbewusst hinter meiner Stirn ablaufen, transparent und diese können völlig von der Intention meines Gesprächspartners abweichen. Indem ich das ausspreche, kann mein Gesprächspartner reagieren und ggf. noch einmal nachdrücklich sagen, wie er was gemeint hat oder sich ggf. auch korrigieren. Oft ordnen sich beim Sprechen auch die eigenen Gedanken, neue Lösungen und Ideen können entstehen. Es findet eine Rückkopplungs-Schleife beim Sprecher als auch beim Zuhörer statt, die wir nun bewusst und transparent erleben. Wir lüften dadurch etwas die black box.

So wechseln wir die Rollen. Die Sprecherin hört auf einmal zu, was von dem, was sie erzählte beim Partner ankam und kann noch einmal korrigieren, bevor sie weitererzählt.

Ohne aktives Zuhören, hätte ich womöglich nur das Gefühl, der Andere verstünde mich (bspw. aufgrund der vielen „Ja’s“, „Mmmhs“ oder der Körpersprache) und wäre dann zu einem späteren Zeitpunkt völlig irritiert, wenn nachfolgende Handlungen nicht zu meinem Gesagten passen würden.

Aktives Zuhören kann ich variieren. Beispielsweise kann ich das, was ich gehört habe, als Essenz genau in den Worten des Sprechers wiedergeben und zusätzlich spiegeln, was ich meine, bei meinem Gegenüber emotional wahrzunehmen (in Ich-Botschaften).

Dies macht meines Erachtens in emotional aufgeladenen Situationen Sinn wie beispielsweise, wenn Spannungen oder auch Konflikte vorliegen. Dagegen kann ich frank und frei meine eigenen Interpretationen äußern, wenn ich mich in einer entspannten Gesprächssituation befinde. Weiter ist aktives Zuhören eine der wichtigsten Techniken, wenn ich Gespräche moderiere.

Formulierungsbeispiele für emotionale Situationen:

  • „…und ich merke, dass bei dem wie Du das sagst, Dich das sehr getroffen, beschäftigt, geärgert, etc. hat – passt das für Dich?“
  • „…ich habe den Eindruck, dass es Dir nicht gut geht, Du wirkst auf mich blass, etc.…

Beim Aktiven Zuhören schenke ich meine Zeit, mein Ohr und meine Aufmerksamkeit meinem Gesprächspartner. Es geht nicht darum, das Gesagte zu kommentieren, zu werten oder das Gespräch mit Fragen zu führen. Es ist ein wertschätzender Prozess, bei dem es nicht auf Zeit ankommt.

Ich kann auf einige Situationen zurückschauen, in denen es um weitreichende Entscheidungen mit vertrauten Gesprächspartnern ging, wo ich das Gefühl eines gemeinsamen Verständnisses hatte und aktives Zuhören nicht praktizierte „schließlich kennen wir uns doch schon seit 12 Jahren“. Als dann aber etwas ganz anderes entschieden wurde, als ich gemeint hatte, war ich dann doch sehr perplex. Wenn es um weitreichende Entscheidungen für eine Organisation geht, kann  sich das sowohl für die Sach- als auch Beziehungsebene sehr schädlich auswirken.

Merke: Auch in hektischen Situationen oder mit gut eingespielten Gesprächspartnern lohnt es sich immer wieder ab und zu aktives Zuhören anzuwenden! Die Ergebnisse sind oft durchaus überraschend und lohnenswert – sowohl für die Sache als auch die Beziehung.

Im nächsten Blog stelle ich dann das Thema Ich-Botschaften vor. Falls Sie das Ganze praxisnah in einer Gruppe und nicht alleine üben möchten, melden Sie sich gerne für unseren interaktiven Workshop Feedback-Kultur an!