SAFe ist gewissermaßen der Platzhirsch, wenn es um die Einführung agiler Arbeitsweisen in großen Organisationen und insbesondere in Konzernen geht. Die Autor:innen dieses Textes Bettina Hoffmann (www.bho-network.ch) und Christoph Karsten sind im Rahmen ihrer Ausbildung zum SPC tief in das SAFe Framework eingestiegen. Hier ein Erfahrungsbericht, der auch auf die Lücken in diesem gigantischen Methodenkasten hinweist.

Um es vorwegzunehmen: SAFe integriert viele gute Ideen, vereint ein immenses Wissen über Lean und Agilität und hat sehr hilfreiche Ansätze, wie man eine ganze Organisation mit agilen Methoden aufschlauen kann. Aber: Reflektion, Dialogorientierung, Sinnhaftigkeit, Entwicklung einer anderen Haltung – all das spielt im SAFe Framework eine untergeordnete bis keine Rolle.

Was ist SAFe denn genau?

SAFe (Scaled Agile Framework) skaliert die Methodiken aus LEAN sowie die agilen Arbeitsweisen aus Scrum und Kanban auf große Organisationen. Es ist eine enorm anmutende Sammlung von Tools und Methoden, die in verschiedenen Zertifizierungstrainings vermittelt werden. Dabei konzentrieren sich diese Kurse vor allem auf Wissensvermittlung.

Keine Frage: Wir können uns tatsächlich vorstellen, dass Organisationen damit gut arbeiten können, wenn das entsprechende Mindset vorhanden ist. Aber genau darin sehen wir eine der großen Gefahren von diesem Ansatz: Unternehmen könnten es als Instrument betrachten, das sie nur „richtig“ anzuwenden brauchen, um Komplexität beherrschen oder kontrollieren zu können. Die Implikationen, die agiles Arbeiten auf das Rollenverständnis von Führung hat, werden nicht thematisiert.

Haltung, Werte, Kulturarbeit kommen zu kurz

Zwar formuliert auch das SAFe Framework sehr klar, dass ein sogenanntes lean-agiles Mindset die zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Implementierung darstellt, aber wie dieses Mindset entwickelt wird oder wie überhaupt der Change Prozess oder die agile Transformation als Kulturentwicklung gestaltet werden könnte, darauf gibt SAFe keine Antwort. Darüber hinaus ist in den letzten Jahren eine Gewissheit entstanden, wenn es um die Einführung von Agilität geht: Die Konzepte müssen an die Organisation angepasst werden, an ihre spezifischen Bedürfnisse und ihren Reifegrad. Es gibt kein one-size-fits-it-all Konzept, so wie es SAFe suggeriert.

Mit den Farben von Spiral Dynamics (Link zum Wikipedia-Artikel) gesprochen sehen wir das so: Agiles Arbeiten beinhaltet Methoden, die aus einer grünen und gelben Haltung entstanden sind: Die uns umgebende Komplexität bedarf neuer Umgangsweisen. Agilität und ihre Werkzeuge und Methoden stellen eine Möglichkeit dar, dieser Komplexität zu begegnen, indem Verantwortung verteilt, Kontrolle abgegeben und autonome Entscheidungen zugelassen werden. Das alles ist nur möglich, wenn Reflexionsräume eröffnet werden, Feedback gegeben wird (Dialogkultur) und Prinzipien der Selbstorganisation berücksichtig werden. Und das alles eben nicht nur für Inhalte und Arbeitsergebnisse, sondern auch für das ganze System an sich.

Es geht vor allem um Effizienz und Leistungssteigerung

SAFe erscheint uns fest verwurzelt im orangenen Mindset: Es geht vornehmlich um Effizienz und Leistungssteigerung. Starre vorgegebene Strukturen und Prozesse, ein fest definiertes Vokabular für organisationale Artefakte, Timeboxing, Maximierung, Optimierung und der Glaube, alles berechnen zu können, können leicht die Schattenseiten der orangenen Haltung offenbaren. Wie so häufig wird aus unserer Sicht verkannt, dass Agiles Arbeiten nicht nur eine Frage der Methoden ist, sondern dass es einen achtsam gestalteten Kulturprozess braucht, der vor allem vom Top Management mitgetragen werden muss.

Ansonsten scheint der Erfolg von SAFe eher fragwürdig. Tatsächlich gaben uns einige Teilnehmende der von uns besuchten Schulung genau diese Rückmeldung aus eigener Erfahrung. Sowohl externe als auch interne Berater bestätigten, dass entsprechende Einführungsprojekte für SAFe wenn, dann an der Führung, am Top Management, an dem Verständnis und der Vergemeinschaftung von folgenden Fragen scheitern:

  • Warum agil?
  • Was bedeutet agil?
  • Welche Implikationen hat es auf mich in meiner Rolle und in meinem Selbstverständnis.

Fazit: Ein Methoden-Monster, das tiefes Verständnis braucht

Für uns bleibt SAFe ein Methoden-Monster, in dem wir aber durchaus Chancen sehen, wenn man es aus einem echten und tiefen Verständnis heraus einführt,

  • was SAFe tatsächlich für eine Veränderung für die Organisation bedeutet und
  • wenn es den Bedürfnissen der Organisation entsprechend angepasst wird.

Wir wünschen in jedem Fall gutes Gelingen!