Dieser Blog-Beitrag erschien zuerst auf System-Analyst.

In dem heutigen Blog möchte ich die zweite Kommunikations-Technik beschreiben, die Bestandteil von Feedback geben ist. Wie kann ich mich so ausdrücken, dass ich bei mir bleibe, ohne übergriffig auf meinen Gesprächspartner zu wirken? Wenn ich Feedback geben möchte, ist das neben aktiv zuhören der zweite wichtige Bestandteil.

Ich- und Du-Botschaften

Meine Beobachtungen, die ich anderen mitteilen möchte, sollten so formuliert sein, dass sie das situative Verhalten der Person präzise beschreiben. Denn Menschen verhalten sich situativ unterschiedlich und nie gleich. So können wir davon ausgehen, dass Formulierungen wie „Du bist immer so…“ schlicht weg nicht zutreffen können. Im Alltagsgebrauch sind uns solche Du-Botschaften jedoch sehr bekannt und wir benutzen sie häufig. Eine Person ist per se nicht, eine Person verhält sich je nach Kontext und Tagesform situativ unterschiedlich.

Eine Rückmeldung wie „Du bist immer so…“ wäre eine Du-Botschaft, deren Wirkung auf meinen Gesprächspartner eher unangenehme Gefühle erzeugen würde. Ich schreibe meine unreflektierten Interpretationen einer Person zu. Werden Du-Botschaften ausgesprochen, können sie Widerstand, Verletzungen, Abwehrhaltung, Ärger, ungute Gefühle etc. beim Gegenüber verursachen. Menschen können sich durch solche Formulierungen angegriffen, zu Unrecht beschuldigt, verletzt, beschämt, etc. fühlen und schnell in Verteidigungshaltung kommen. Denn bei dieser Formulierung bin ich bei meinem Gegenüber und nicht mehr bei mir.
Die Wirkung signalisiert „Ich bin ok, Du bist nicht ok!“ Wir erheben uns über jemanden. Auch verstärken Universalquantoren wie immer, oft, häufig, ständig, nur, etc. diese Wirkungsweise. Solche Behauptungen und Zuschreibungen wirken geringschätzig. Weiter bleiben sie unkonkret, denn wir verhalten uns sehr vielfältig und nicht immer gleich.
Wir können nicht wissen, welche Gründe für eine andere Person vorliegen, sich in einer bestimmten Art zu verhalten, es sei denn wir unterhalten uns darüber in Form einer Metakommunikation, um dies transparent zu machen. Erst dann haben wir die Möglichkeit unsere inneren Bilder oder Annahmen zu überprüfen (dies kann bspw. mit aktiven Zuhören gut erfolgen).

Meines Erachtens sollten wir Du-Botschaften komplett aus unserem Sprachgebrauch streichen und nicht nur beim Feedback geben darauf achten ???? – übrigens gelingt es uns allen nur mehr oder weniger. Ich beobachte oft, dass Eltern mit ihren Kindern sehr häufig in Du-Botschaften sprechen.

Wie mache ich das nun, dass wir zu einem Austausch auf Augenhöhe kommen können? Dazu sind sogenannte Ich-Botschaften unabdingbar.

Ich-Botschaften benennen ein Verhalten konkret und präzise und beschreiben dessen Wirkung auf mich. Dabei mache ich deutlich, was ich subjektiv beobachtet habe (Sachaspekt – was, wie) und benenne die Auswirkung auf mich (Beziehungsaspekt – warum).

Sie erzeugen bei dem Gegenüber eher Nachdenklichkeit und Bereitschaft in den Dialog zu gehen. Bei der Formulierung bleibe ich bei mir und vermeide ungeprüfte Zuschreibungen. Ich erhebe mich nicht über jemand, sondern kommuniziere klar und kongruent auf Augenhöhe. Es geht dabei nicht darum ellenlange oder auch verschwurbelte Sätze zu formulieren oder Sachverhalte weich zu spülen.

Beispiel

Situation: Wir haben in unserem Team regelmäßige Daily Standups vereinbart. Im letzten Standup kam Kollege A 15 Minuten zu spät. Im heutigen Daily Standup kommt Kollege A ebenfalls 15 Minuten zu spät. Das ist der Sachverhalt, der beobachtbar war. Die Gründe hierfür kenne ich erst mal nicht, es sei denn, Kollege A hat sie ausgesprochen. Was in diesem Beispiel nicht geschehen ist.

Eine Du-Botschaft könnte nun lauten:

„Ständig kommst Du zu spät!“ oder „Immer kommst Du ständig zu spät!“

Versuchen Sie sich nun einmal die Rolle von A zu begeben und schauen Sie, wie so eine Formulierung auf Sie wirken würde, wenn Sie als A morgens 15 Minuten später dazukämen? Was bewirkt in Bezug auf Ihre Integrität, Ihre Motivation, Ihren Energie-Haushalt, etc.?

Eine Ich-Botschaft könnte wie folgt sein:

„Ich sehe, dass Du heute zum 2. Mal 15 Minuten später zu unserem Daily Standup kommst. Letzte Woche kamst Du ebenfalls 15 Minuten später (Sachebene, Beschreibung was ich gesehen, beobachtet habe). Ich merke bei mir, dass mich das stört, ärgert, irritiert, aufhält, hemmt, da ich unter Zeitdruck stehe. (Beziehungsebene: wie wirkt sich dieses Verhalten subjektiv auf mich uns unsere Beziehungsebene aus).“

Im Nachgang könnten Sie nun beispielsweise eine Frage noch anhängen. Bspw. „Was ist der Grund dafür?“ oder „Wie kommt das?“ und in einen Dialog mit dem Anderen gehen.

Merke: Wir können Du- und Ich-Botschaften nicht daran unterscheiden, ob der Satz mit dem jeweiligen Personalpronomen anfängt oder nicht! Wir können sie jedoch über die Wirkung erkennen. Lösen sie Widerwillen und unangenehme Gefühle aus oder nicht?

  • „Ich sehe, Du bist so…“ wäre ebenfalls eine Du-Botschaft.
  • „Ich sehe, Du kommst heute 15 Minuten später…“ wäre eine Ich-Botschaft, die meine Beobachtung beschreibt.

Übung – Notieren Sie kurz und knapp:

  • Welche Du-Botschaft hören Sie in Ihrem Arbeitsumfeld, in Ihrer Familie, in Ihrem Umfeld?“
  • Welche Du-Botschaften verwenden Sie häufig unbewusst im Arbeitskontext oder auch im Familienkontext?“

Versuchen Sie nun, diese Du-Botschaften in Ich-Botschaften umzuformulieren. Beziehen Sie sich zuerst auf die Sachebene, was sind die Fakten:

  • Was genau haben Sie beobachtet, dass Sie zu solch einer Du-Botschaft veranlasst?
  • Versuchen Sie die Situation so konkret zu erfassen? Was ist passiert? Was genau hat Ihr Gegenüber getan oder auch nicht getan?
  • Wann genau haben Sie das beobachtet?
  • Ist es das erste Mal?

Nun begeben Sie sich auf die Beziehungsebene.

  • Was löst dies bei Ihnen aus?
  • Was macht das mit Ihnen?
  • Was nehmen Sie ggf. körperlich bei sich wahr?
  • Wie fühlten Sie sich vorher und wie fühlten Sie sich im Anschluss an das beobachtbare Verhalten?
  • Wie können Sie das griffig für sich ausdrücken.

Wie alles im Leben, ist die Veränderung unseres Kommunikationsverhaltens erlernbar und entsteht durch stetiges Üben. Mit jeder weiteren neuen Anwendung von Ich-Botschaften, verlernen wir alte Du-Botschaften, bis neue konkretere und wertschätzendere Formulierungen irgendwann in unser alltägliches Handeln übergehen.
Anfangs hilft es, sich Zeit zu nehmen und zu überlegen, worum es uns eigentlich wirklich in solchen Situationen, die uns unbewusst zu Du-Botschaften greifen lassen, geht und kurz zu notieren, welche einzelne konkrete Situation wir benennen wollen und was diese mit uns gemacht hat. Dazu ist eine Portion Mut und Offenheit (auch zu sich selbst) erforderlich.

Je konkreter wir uns ausdrücken, desto eher kann sich unser Gesprächspartner an die jeweilige Situation erinnern und sich in den Kontext zurückversetzen. Wir beginnen dadurch auf Augenhöhe mit einander zu reden und vermeiden es, übereinander zu reden.

Nun haben Sie beide wichtigen Techniken für den Ablauf eines konstruktiven Feedbacks zu Förderung gelernt! Wie wir beides nun zu einem wirksamen Feedback anwenden können, beschreibe ich in meinem nächsten und letzten Blog dieser Serie.

Bis dahin viel Spaß bei Anwenden und Ausprobieren! Und wer in der Gruppe üben möchte, schaut gerne in unserem öffentlichen Workshop Das Einmal Vier für eine kollegiale Kommunikationskultur vorbei.

Herzliche Grüße

Claudia Schröder