Top-Führungskräfte, die sich dem Thema agile Organisation nähern, wünschen sich oftmals eine Lernreise (Learning Journey) und möchten sich Organisationen ansehen, „die schon agil(er) sind“. Ein verständlicher Wunsch. Eine Lernreise kann inspirierend sein, kann aber auch von der eigenen Reflexion zum Thema ablenken und je nach dem eigentlichen Anliegen auch weniger hilfreich sein. Mit diesem Beitrag möchte ich eine kritische Perspektive zur Mode des Organisationsentwicklungs-Tourismus teilen.

Eine Lernreise ist in ein kulturelles und soziales Erlebnis. Wie fühlt sich die besuchte Organisation an? Mal in eine andere Unternehmenskultur hineinschnuppern. Ist das ähnlich wie eine Probefahrt mit einem neuen innovativen Auto? Auch wenn die Assoziation möglich ist: Autos sind komplizierte, reproduzierbare und gezielt herstellbare Systeme. Organisationen sind hingegen komplexe und nicht reproduzierbare oder gezielt herstellbare soziale Systeme.

Sozialromantische Projektionsflächen

In beiden Fällen, beim Probefahren wie bei der Organisationslernreise werden Sehnsüchte nicht nur befriedigt, sondern auch befeuert. Das beginnt sogar schon beim Lesen über andere Organisationen. Wenn Frederic Laloux eine Krankenschwestern zitiert, Buurzorg habe ihr „ihren Beruf wiedergegeben“, dann ist das sehr berührend. Je mehr solcher Geschichten wir lesen, desto mehr wünschen wir uns, auch in einem dieser Unternehmen zu arbeiten. Mir haben mehr als einmal Unternehmer in der Auftragsklärung erzählt, dass sie Laloux gelesen hätten und sich nun vorstellen, ihr eigenes Unternehmen möge auch so werden. In der weiteren Vertiefung blieb dann aber manchmal die wichtige Frage offen, wozu dies (über das Ego der Unternehmerin hinaus) gut sein soll und welchen Nutzen das Unternehmen davon eigentlich hat.

Auch die mittlerweile zahlreichen Filme zum Thema geben Einblicke und befeuern verschiedenste Sehnsüchte. Das Thema „New Work“ ist eine riesige Projektionsfläche für Wünsche, Interessen und Bedürfnisse aller Art. Da bewerben sich beispielsweise Mitarbeiter, weil sie Selbstorganisation und kollegiale Führung mit Konfliktfreiheit und Bequemlichkeit verwechseln. Und auch Unternehmerinnen und obersten Führungskräften wird eben manchmal warm ums Herz bei diesem Thema.

Es mangelt schon lange nicht mehr an Referenzen und Beispielen für „New Work“, agile Organisationsentwicklung, kollegialer Führung und agilen, anpassungsfähigen oder sinngetriebenen Organisationen. Dennoch sind diese Beispiele meistens nur bedingt oder partiell übertragbar oder gar nützlich und dies möchte ich nun etwas näher erläutern.

Theoriearbeit: Das Verallgemeinerbare extrahieren

Sich die tatsächliche Praxis und reale Unternehmen anzusehen, sie gar zu studieren, ist ein wichtiger Teil der Theoriearbeit, nämlich aus dem Wahrnehmbaren Hypothesen zu bilden und Modelle (Verallgemeinerungen) zu extrahieren. Dabei ist die Theoriearbeit vor allem Aufgabe der Fachleute, Beraterinnen und Organisationsentwickler in diesem Kontext, weniger die der Mitarbeiterinnen oder Führungskräfte.

Viele im Rahmen des Organisationsentwicklungs-Tourismus besichtigte Unternehmen haben sehr spezielle Rahmenbedingungen, die gar nicht zu den Organisationen der Besucher passen, wodurch die Erfahrungen kaum übertragbar sind. Hier ein paar Beispiele:

Agile Produktentwicklungsmodelle

Softwareentwicklungsunternehmen, deren Kultur im Kontext von Produktentwicklungsmodellen wie Scrum und Kanban entstanden ist, sind für Organisationen und Organisationseinheiten, die keine Produktentwicklung betreiben, nur bedingt übertragbar. Für die Organisationsentwicklung sind Scrum und Co. alleine unzureichend oder als einzelnes Interventionselement sogar unpassend. Außerdem handelt es sich hier um Modelle, die deutlich mehr als 10 Jahre in diesem speziellen Biotop gereift und weiter entwickelt wurden und auch heute noch oft genug gar nicht so einfach einführbar und reproduzierbar sind. In wie vielen Organisationen wurde Scrum unzureichend verstanden oder ist zur reinen Mechanik verkommen?

Im Blogbeitrag „Unterschiede systemisch zu agil“ hatte ich beschrieben, welche Konzepte aus dem Kontext agiler Softwareentwicklung auch für die Organisationsentwicklung relevant sein können. In dieser Gegenüberstellung mit systemischen Ansätzen skizziere ich auch, welche weiteren, in der agilen Welt fehlenden Konzepte, noch relevant sein können. Wobei die Gegenüberstellung agil vs. systemisch nur exemplarisch ist und zahlreiche weitere Ansätze existieren, bei denen sich moderne Organisationen typischerweise bedienen.

Erfinderglück

Eine weitere Besonderheit sind Unternehmen, deren Inhaber-Geschäftsführer selbst die Ideengeber und starke und überzeugte Treiber für neue Arbeitsformen sind und ihre Mitarbeiter hierzu maßgeblich inspirieren. Die Entwicklung solcher Organisationen und ihrer Kultur ist üblicherweise sehr gebunden an diese visionären Talente und damit für viele ganz normale Unternehmen kaum reproduzierbar. Dass bestimmte Modelle beim jeweiligen Erfinder funktionieren, ist das eine, die Übertragbarkeit auf andere bleibt offen.

Außerdem existieren oftmals bemerkenswerte blinden Flecken bei solchen Personen und Organisationen. Sie sind manchmal wenig offen für die Reflexion eben dieser, was sich später dann als entwicklungshemmend herausstellen kann. Mit dem jetzigen zeitlichen Abstand schließe ich mich selbst in einer früheren Inhaberrolle in diese Zuschreibung mit ein.

Kontextverwechselung

Viele Bücher und Filme beschreiben Beispiele, erzählen Geschichten und geben Beobachtungen wieder, bilden aber keine Theorie hierzu. Für eine überzeugende Theoriebildung müssen wir uns fragen: Welche konkreten Konzepte sind in den betrachteten Beispielen vermutlich wirklich wirksam? Welche Hypothesen (Annahmen über Wirkungszusammenhänge) bilden wir daraufhin? Welche speziellen Rahmenbedingungen sind zu beachten und welche sind möglicherweise kaum zu verallgemeinern oder für die typischen Anwendungsfälle gar nicht relevant?

Nochmal zurück zum Beispiel Buurzorg: Ich habe einige Unternehmen kennengelernt und als externer Berater begleiten dürfen, die auf den ersten Blick ein ähnliches Geschäftsmodell oder einen ähnlichen Zweck wie Buurzorg verfolgen. Auch haben deren oberste Führungskräfte Buurzorg besucht, also Lernreisen unternommen. Und doch ließ sich das Gesehene kaum übertragen.

Die Ernüchterung ist schon darin angelegt, dass Frederic Laloux zwar inspirierend über bestimmte Ereignisse und Phänomene erzählt, aber wenig konkret wird. Was genau ist denn der „Beratungsprozess“ bei Buurzorg?

Viel relevanter sind manchmal die Informationen, die in solchen Beschreibungen oder auch Filmen fehlen. Für das Verständnis des Phänomens Buurzorg finde ich beispielsweise drei weniger bekannte Rahmenbedingungen für die Übertragbarkeit wichtig:

Komplexitätsgrad

Das Geschäftsmodell von Buurzorg hat eine eher moderate Vielfalt. Auf der X-Achse der weiter unten folgenden Grafik „Komplexitätsspezifische Führungsfoki“ liegt Buurzorg eher in der Mitte. Die von mir begleiteten (auf den ersten Blick) Buurzorg-ähnlichen Unternehmen würde ich viel weiter rechts verorten. Häusliche Pflege, auch als  sozialraumorientierte und funktionsübergreifende Dienstleistung, ist bei denen nur ein Element einer komplexen Dienstleistung. Sofern es um deutlich mehr als die häusliche Pflege geht und die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, Leistungen zur beruflichen Rehabilitation, Kinder- und Jugendhilfe, Arbeitsförderung oder andere Themen dazugekommen, entsteht eine deutliche größere Vielfalt im Sinne der Grafik. Darüber hinaus steigt der Kooperationsbedarf zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen und Funktionen, zwischen den Menschen in der Lebenswelt der Klienten sowie auch zwischen den Trägern und Anbietern. Und damit steigt auch die Unvorhersehbarkeit und Komplexität insgesamt.

Digitalisierung

Das Rückgrat der Buurzorg-Organisation ist offenbar auch eine spezielle und sehr ausgeprägte Prozessunterstützung, also ein IT-System, man könnte auch sagen, deren sehr erfolgreiche Digitalisierung, mit denen den Mitarbeiterinnen auch viel Papierkram abgenommen wird. Diese Eigenschaft und Fähigkeit adressiert aber nicht Musterwechsel, Selbstorganisation, Erhöhung der Anpassungsfähigkeit oder Dynamikrobustheit, sondern eher klassisch-kausal die Effizienz und Reproduzierbarkeit einer hohen Leistungsfähigkeit.

Skalierungsmuster

Von wenigen Ausnahmen abgesehen erbringen alle Teams die prinzipiell gleiche Wertschöpfung. Jedes Team kann sich weitgehend frei und autonom organisieren, aber ihre Tätigkeiten und Aufgaben sind weitgehend die gleichen. Die Unterscheidung der Teams erfolgt geografisch anhand der Einsatzgebiete. Das Skalierungsmuster ist letztendlich das eines Filialsystems, ähnlich wie beispielsweise beim dm drogeriemarkt. Durch dieses Skalierungsmuster bleiben auch der Komplexitätsgrad moderat und die digitale Prozessunterstützung gut standardisierbar.

Diese Rahmenbedingungen sind deshalb hervorzuheben, weil Buurzorg als Referenz für die Vuca-Welt verwendet wird, wichtige erfolgsrelevante Rahmenbedingungen jedoch weitgehend außerhalb der Vuca-Welt zu verorten sind. Buurzorg mag also ein sympathisches und sozial wie unternehmerisch vorbildliches Unternehmen sein und es verwendet auch moderne Praktiken und Prinzipien wie beispielsweise den Beratungsprozess, wie sie für kollegial-selbstorganisierte Unternehmen typisch sind – ob es damit jedoch eine passende Referenz für die Vuca-Welt ist, ist zumindest zu hinterfragen.

In der ganzen Vuca-Diskussion kann man zudem den Eindruck bekommen, es ginge nur noch um Komplexität und als seien Effizienz- und Leistungsdenken nicht mehr wichtig. Meines Erachtens dominieren diese Führungsfoki jedoch weiterhin und für die Wettbewerbsfähigkeit werden sie auch weiterhin hochrelevant bleiben. Die Fähigkeit, mit erhöhter Komplexität umzugehen, kommt meines Erachtens lediglich noch hinzu.

Agile Skalierung

Der Wunsch nach Vorbildern, Referenzen und Lernreisen ist nach meinem Eindruck bei angestellten Top-Führungskräften in Großunternehmen stärker ausgeprägt als bei Inhaber-Geschäftsführerinnen. Möglicherweise, weil die angestellten Geschäftsführerinnen oder Bereichsleiter ihre Entscheidungen für neue Führungsprinzipien stärker absichern und rechtfertigen oder ihre Verantwortung gar ein wenig verstecken möchten.

Umso wichtiger ist die Frage, ob die besuchten Referenzen auch zur Frage der Unternehmensgröße, Organisationsstruktur und Inhaberschaft Modellcharakter haben. Für mich ist eine wichtige Grenze die so genannte Dunbar-Zahl von 150. Meine Hypothese für Großunternehmen und Konzernstrukturen oberhalb dieser Mitarbeiterzahl: Eine lineare Skalierbarkeit der Konzepte für Team- und Bereichsgrößen (5 – 15 bzw. 15 – 150 Mitarbeiter) ist unwahrscheinlich. Oberhalb dieser Größenordnung sind Scrum und Co. ebenso wie die soziokratischen Kreismodelle von Sozio- und Holokratie nur bedingt tauglich.

Für die Kooperation von Bereichen oberhalb der Dunbar-Grenze benötigen wir meines Erachtens andere Entwurfsmuster. Hier scheint mir das von W. L. Gore & Associates bekannte Entwurfsmuster der Zellteilung interessanter. Zu diesem Thema hatte ich bereits einmal den Blogbeitrag „Holding- und Konzernstrukturen“ veröffentlicht, auf den ich hier verweisen möchte.

Die Angst vor irreversiblen Schäden

Ein weiterer Grund, den ich hinter dem Wunsch nach Lernreisen und Vorbildern vermute, hat mit der Metapher des „organisatorischen Betriebssystems“ und der (mittlerweile der Ernüchterung weichenden) Popularität der Holokratie zu tun. Mit der Aussage, „man kann Holacracy nicht praktizieren, indem man nur einen Teil der Regeln annimmt“ setzt Brain Robertson eine hohe Einstiegshürde. Da Organisationen keine Maschinen, sondern komplexe soziale Systeme sind, passt die Betriebssystem-Metapher nicht. Es gibt kein „Organisations-Update“, sondern immer nur ein mehr oder weniger ergebnisoffener Lernprozess von Menschen. Die Menschen brauchen Wochen und Monate, bis sie die neuen Prinzipien adaptiert haben und Vertrauen und Sicherheit zu ihnen entwickeln. Es entstehen neue soziale Dynamiken und neue Kooperationsbeziehungen sind zu erproben und einzuüben. Das braucht Zeit. Währenddessen muss das operative Tagesgeschäft weitergehen.

Unserer Erfahrung nach besteht bei einem sehr umfassenden Übergangsschritt die ernste Gefahr, die Organisation und ihre Mitarbeiter gefährlich zu überlasten, weshalb wir eine schrittweise empirisch-evolutionäre Vorgehensweise befürworten und mit dem Modell der kollegialen Führung hierfür erste Grundlagen geschaffen haben.

Wer als Top-Führungskraft über eine sehr große und dauerhafte Veränderung zu entscheiden hat, hat verständlicherweise auch ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis und möchte erstmal Erfolgsnachweise und Referenzen sehen. Beispielsweise mit Hilfe einer Lernreise. Die Alternative wäre, empirisch kleine und umkehrbare Schritte zu gehen. Und selbst einmal die neuen Konzepte im eigenen Führungskreis auszuprobieren, um selbst die Unterschiede zwischen alter und neuer Führung zu erleben und zu spüren.

Die Zoo-Bewohner

Lernreisen haben aber auch auf die besuchten Unternehmen eine nicht zu unterschätzende (Wechsel-)Wirkung. Sie provozieren ein Spannungsfeld, dass die besuchte Organisation auch aushalten können muss. Ihre Organisation gilt als Referenz, als Vorbild und das schmeichelt dem Ego einiger Mitarbeiter, zumeist aber der Inhaber und Geschäftsführerinnen. Oftmals kommen Organisationen auch nur deswegen ins Rampenlicht, weil einzelne Akteure (oft ein Geschäftsführer) das Unternehmen nach Außen als Vorbild, Pionier und Innovator darstellen. Entweder durch eigene Publikationen und Vorträge oder durch die Teilnahme an echten oder bezahlten Arbeitgeberwettbewerben oder Testimonials.

Wie alle wissen, die länger in selbstgeführten und agilen Unternehmen tätig sind, sind agile Unternehmen auch kein Ponyhof. Im Gegenteil, die soziale Belastbarkeit, die Fähigkeiten zu wertschätzendem Feedback, zu konstruktiver und effizienter Konfliktführung und Ähnlichem, müssen eher stärker ausgeprägt sein, als in Führungskraft-zentrierten Organisationen. Die Umstellung auf kollegiale Führungsprinzipien schafft idealerweise wenig neue Konflikte, sie wird aber fast immer eine Menge bestehender und bisher unter den Teppich gekehrter Konflikte wieder sichtbar machen. Vorrangig auch solche Themen, die bisher feste Führungskräfte abgepuffert, ausgeglichen oder ausgesessen haben.

So kann es durch Lernreisen zu einer spürbaren Dissonanz kommen: Einerseits die erwartungsfrohen und inspirierten Besucher mit ihrem selektiven Fremdbild. Andererseits die zuweilen anstrengende und ernüchternde interne Sicht der betroffenen Mitarbeiter. Die Integrität der Organisation wird belastet und vor allem dann auch überstrapaziert, wenn die eigene Außendarstellung als beschönigend, einseitig und zu weit entfernt von der Mitarbeiterperspektive empfunden wird. Die Proklamation der agilen Organisation verkommt dann zur Hochglanzbroschüre oder zu „alternativen Fakten“.

Dies ist umso kritischer, als dass die Unternehmenskultur auch ein wichtiges Element der Arbeitgebermarke ist und zur Gewinnung neuer Talente gerne ausgebeutet wird. Ein Kollege, der diesen Blogbeitrag vorab gelesen hat, meinte: “Ich erlebe leider sehr oft die übertriebene Selbstdarstellung der besuchten Unternehmen. Da wird alles toll dargestellt, aber wenn ich hinter die Kulissen schaue […]”

Lernreisen sind für die besuchten Organisationen also immer eine Gratwanderung zwischen gesunder Selbstkritik und nützlichem Marketing, die nur wenigen Vorzeigeunternehmen gut gelingt und gut tut. Als externer Organisationsbegleiter frage und empfehle ich so gut wie nie meine eigenen Kunden, sondern erzähle Geschichten und zeige Beispiele über sie in eher anonymisierter Form und in ihrer Abwesenheit. Sie haben organisational und operativ Besseres zu tun und einen anderen Zweck.

Unklare Wechselwirkungen

Auf Lernreisen sind vor allem Praktiken und Artefakte beobachtbar, die dahinter stehenden Prinzipien sind manchmal schon weniger ersichtlich und die Wechselwirkungen zwischen ihnen noch viel weniger. Dabei sind eben nicht einzelne Leuchtturm-Praktiken entscheidend, sondern ihre geschickte und historisch gewachsene Kombination auf der Basis über längere Zeit gelernter und eingeübter Prinzipien und Haltungen. Und wer nur Beispiel-Praktiken kennenlernen möchte, kann sich auch das druckfrische und inspirierende Buch „24 Work Hacks – auf die wir gerne früher gekommen wären“ von Sipgate ansehen.

Fazit

Um Energie mitzunehmen, sich zu inspirieren und emotional aufzuladen, also zur Motivation, finde ich Lernreisen prima. Um Orientierung zu gewinnen und Entscheidungen für den eigenen Weg zu ermöglichen, finde ich Lernreisen nur ganz selten und unter speziellen Bedingungen hilfreich.

Lernreisen kenne ich selbst aus den Rollen Besuchter, Besucher und Reiseführer. Am wertvollsten fand ich dabei, wenn sich Vertreter verschiedener Organisationen auf Augenhöhe, also mit ähnlichen agilen Erfahrungshorizonten getroffen haben, weil diese dann unmittelbar voneinander lernen konnten. Wie macht ihr dies, wie macht ihr das? Und die wichtigste Erkenntnis war dann oftmals: Wir sind gar nicht alleine mit unseren Herausforderungen, anderen geht es genauso, das ist also ganz normal.

Ebenfalls wertvoll finde ich, wenn externe Organisationsberater und -begleiterinnen miteinander in geschützten Räumen ihre Fälle und Erfahrungen austauschen und Theoriearbeit betreiben, was wir versuchen, im Rahmen unserer Beraterinnenausbildung zu ermöglichen.

Als Alternative zur Lernreise bieten Claudia Schröder und ich zweimal jährlich einen zweitägigen Unternehmer-Workshop an (nächster Termin am 19.4. hat noch einen freien Platz). Dort gehen Inhaber und Geschäftsführer auf Augenhöhe in den Austausch untereinander und vor allem in die Orientierung, Einordnung und Reflexion der vielen Fragen und Antworten zum Thema speziell in Bezug auf ihr eigenes Unternehmen, ihre eigene Rolle und sich selbst als Person.

Es geht darum, um zu verstehen

  • worauf sie sich mit einer entsprechenden Entwicklung einlassen,
  • welche Chancen und Risiken sie erwartet,
  • mit welchen Zeit- und Finanzbedarf sie rechnen sollten,
  • wann sie welche Effekte erwarten dürfen,
  • welche Beiträge sie selbst leisten können,
  • über welche Ressourcen ihre Organisation schon verfügt
  • und welche noch zu entwickeln sind.

Wenn Zweifel und Unsicherheit zum Wozu existieren, wenn die obersten Verantwortlichen nicht wissen, warum und wo sie hin wollen, können Lernreisen auch vom eigentlichen Lernfeld ablenken oder wegführen. Dann werden fremde Lösungen inspiriert, imitiert oder eingeführt, ohne die eigenen Probleme oder Ziele ausreichend verstanden zu haben.

Und umgekehrt, wer weiß, was er erreichen möchte, der kann einfach anfangen, das eine oder andere auszuprobieren. Der kann dann dazu übergehen, immer systematischer Veränderungen zu erproben, um im eigenen Unternehmen zu beobachten, was daraus erwächst. Wer in kleinen Schritten und empirisch vorgeht, kann nicht viel falsch machen und gestaltet selbst das Tempo und das Maß der verkraftbaren Unsicherheit. Und das auch nicht alleine, sondern maßgeblich durch die beteiligten Mitarbeiter. Dies ist das universelle Metamodell agiler Organisationsentwicklung.

Die Lernreise beginnt im eigenen Unternehmen.