Ein Kernelement einer agilen und kollegial geführten Organisation und Organisationsentwicklung ist ein empirisch-iteratives Vorgehen. Wir visualisieren dieses Prinzip gerne mit dem von uns so genannten OE-Zyklus (oder OE-Schleife). Die Herkunft und die wichtigsten prinzipiellen Schritte beschreiben wir in diesem Blogbeitrag.

Dieser Blogbeitrag ist der zweite Teil unserer Serie über die aus unserer Sicht wichtigsten Bausteine agiler und kollegialer Organisationsentwicklung.

Die von uns entwickelte agile OE-Schleife (siehe Abbildung) ist eine Synthese aus PDCA-Kreis (dessen Vorläufer von Walter A. Shewart schon 1930 entwickelt wurde [W. E. Deming: Out of the Crisis; Massachusetts Institute of Technology, Cambridge, 1982]) und systemischer Schleife [Roswita Königswieser, Alexander Exner: Systemische Intervention – Architekturen und Designs für Berater und Veränderungsmanager, Stuttgart 1998] ergänzt um die (als Keil visualisierte) Integration und Standardisierung der prototypischen Entwicklungen, einer gemeinsamen Werte- und Prinzipienbasis und der losen Assoziation zu den Ebenen (Farben) von Spiral Dynamics.

Einsichten gewinnen

Der Prozess beginnt damit, Informationen zum Betrachtungsgegenstand zu gewinnen. Diese Informationen vergegenwärtigen wir uns, möglichst ohne sie zu bewerten.

Hypothesen bilden

Danach bilden wir Hypothesen, also Vermutungen über mögliche Wirkungszusammenhänge. Wir bilden in konstruktivistischer Weise mögliche Realitätskonstruktionen als gleichberechtigt nebeneinanderstehende Perspektiven. Anders als im für Scrum üblichen PDCA-Zyklus mit seinen Unterscheidungen von richtig/falsch oder fertig/unfertig, bilden wir uns stattdessen eine Meinung darüber, wie hilfreich welche Hypothesen und Sichtweisen für unsere Ziele und Anliegen sein könnten.

Handlungsoptionen erfinden

Die ausgewählten Hypothesen leiten uns bei der Erfindung möglicher Handlungsoptionen: Welche Veränderungen möchten wir in welchem experimentellen Rahmen ausprobieren, um die Organisation in unserem Sinne (Vermehrung von Ressourcen und Systemstabilität) zu entwickeln? Wir unterstellen dabei keine kausal entstehenden Ergebnisse, sondern stellen unsere Veränderungsideen in den Kontext der von uns gewählten Hypothesen. Die Veränderungen werden soweit möglich nicht unumkehrbar und großflächig eingeführt, son-dern zeitlich und organisatorisch begrenzt, beispielsweise auf bestimmte Produkte, Prozesse, Teams, Standorte, Arbeitsschichten, etc.

Veränderungen erproben

Dann gilt es, die Veränderungsidee(n) auszuprobieren und umzusetzen. Aus dem experimentellen Rahmen ergibt sich auch, wer welche Veränderungen initiiert und verantwortet und darüber hinaus involviert ist. Zur Vorbereitung der Experimente gehören auch Überlegungen und ggf. konkrete Festlegungen, wann und von wem der Nutzen des Experimentes überprüft und beurteilt werden kann und wann es abgeschlossen ist. Mit der Auswertung des Experimentes beginnt der Kreis erneut damit, Einsichten zu gewinnen.

Entwicklungen etablieren

Ein Experiment ist eine spezielle Situation mit ausgewählten Rahmenbedingungen und Beteiligten in einem geschützten Raum. In diesem Kontext erfolgreich zu sein ist das eine, die damit demonstrierten und neu gewonnenen Fähigkeiten in der Organisation personenun-abhängig nachhaltig zu integrieren und zu etablieren, ist etwas anderes.

Hierzu müssen diese Fähigkeiten in Strukturen, Prozesse und Fertigkeiten der Organisation weitergehend verankert werden. Alle Beteiligten müssen die Anwendungsfälle sicher reproduzieren können. Und dies nicht nur für triviale Fälle, sondern in der ganzen Vielfalt und mit allen Widrigkeiten des Arbeitsalltags. Es geht um die Standardisierung innerhalb der Organisation.

In der Visualisierung der agilen OE-Schleife ist dies der Keil, der untergeschoben wird, da-mit Rückschritte vermieden werden und Organisationsentwicklung keine Sisyphos-Arbeit wird.

Gemeinsame Werte und Prinzipien

Bei alledem, vor allem bei der Bildung von Hypothesen und der Erfindung von Handlungsoptionen, lassen sich die Beteiligten von ihren Werten und Prinzipien leiten. Sich ihrer bewusst zu werden, sie kritisch zu hinterfragen und zu reflektieren, kann die Reife einer Organisation und ihrer Mitglieder fördern.

Empirische und ergebnisoffene Entwicklung

Der zuvor beschriebene agile OE-Zyklus beschreibt ein iterativ-empirisches Vorgehen. Entsprechend verzichten wir auf langfristige Interventionsarchitekturen oder Projektpläne. Viele Organisationsentwicklungen werden als zielorientierte Projekte verstanden. Die Ziele werden dabei meistens von einem zentralen Auftraggeber vorgegeben und mit bestimmten Zielkriterien und -werten verbunden. Dementsprechend können dort die entstehenden Veränderungen dann auch in richtig und falsch unterschieden, quantifiziert und Teil von spekulativen Kosten-Nutzen-Rechnungen werden.

Wir stellen dem ein ergebnisoffenes Vorgehen gegenüber. Es ist durchaus hilfreich, sich über gewünschte Ergebnisse zu verständigen,

  • solange alle Beteiligten in Demut auf das tatsächliche Ergebnis warten können,
  • solange alle die innere Bereitschaft haben, dass, was tatsächlich entsteht, als Realität anzunehmen und daraus zu lernen
  • und solange alle bereit sind, sich auch auf unerwartete Ergebnisse einzustellen und vorzubereiten.

Die Bereitschaft zur Ergebnisoffenheit ist eine wichtige Ergänzung des Prinzips der schrittweisen Entwicklung und nur eine andere Ansicht des Prinzips empirischer Entwicklung.

Dabei orientieren wir uns an den zeitlichen Möglichkeiten der Organisation und Mitarbeitenden zur Führungs- und Organisationsentwicklungsarbeit.

Wenn es nicht um eine kontinuierliche Organisationsentwicklung geht, sondern um ein Projekt, also ein zeitlich begrenztes Vorhaben mit besonderem Ziel, verwenden wir auch gerne das folgende Wolkenbild.

Ausblick

Im nächsten Teil dieser Blogserie geht um das Thema kollegial verteilte und ziehende Führung.