Blogserie Bausteine agiler OE (Teil 5): Struktur- und Prozesssicherheit

Im fünf­ten und letz­ten Teil die­ser Blog­se­rie geht es um die inne­re und äuße­re Sicher­heit in den Pro­zes­sen, Struk­tu­ren und Rah­men­be­din­gun­gen der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on. Unsi­cher­hei­ten in die­sen Berei­chen erhö­hen die Wahr­schein­lich­keit für Miss­ver­ständ­nis­se und Kon­flik­te oder füh­ren eine Orga­ni­sa­ti­on mehr in eine über­for­dern­de Selbst­über­las­sung statt in eine Selbstorganisation. 

Da unser Ansatz der kol­le­gi­al geführ­ten agi­len Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung nicht dar­auf basiert, ein bestehen­des Füh­rungs­sys­tem schlag­ar­tig kom­plett durch ein neu­es zu erset­zen, ist die Fra­ge­stel­lung der Koexis­tenz und Abgren­zung ver­schie­de­ner Füh­rungs­sys­te­me rele­vant. Wir unter­schei­den dabei:

  • Den jeweils eige­nen Füh­rungs­rah­men: Was ist selbst gestalt­bar und was ist vorgegeben?
  • Die Koope­ra­ti­ons­be­zie­hun­gen zu Berei­chen, die nach ande­ren Füh­rungs­prin­zi­pi­en orga­ni­siert sind.

Jedes Füh­rungs­sys­tem ist in einen defi­nier­ten Rah­men ein­ge­bet­tet bzw. ein­zu­bet­ten. Der aller­obers­te Rah­men ist durch die Gesell­schaf­te­rin­nen (Inha­be­rin­nen) vor­ge­ge­ben und in der Sat­zung der Gesell­schaft und den Geschäfts­füh­rungs­ver­trä­gen gere­gelt. Bei­spiels­wei­se, wel­che Geschäf­te durch die Gesell­schaf­ter­ver­samm­lung zustim­mungs­pflich­tig sind. Dar­un­ter folgt dann die wei­te­re, meis­tens mehr­stu­fi­ge, hier­ar­chi­sche Unter­glie­de­rung in Verantwortungsbereiche. 

Für die kol­le­gia­le Füh­rung defi­nie­ren wir die Rah­men­be­din­gun­gen in der Form einer Dele­ga­ti­ons­ma­trix, die beschreibt, wel­che Zustän­dig­keits­be­rei­che und Füh­rungs­aspek­te kol­le­gia­le gestalt­bar sind, als auch, ob und wie weit die­se schon von der kol­le­gia­len Füh­rung adap­tiert wur­den. Dies war The­ma im letz­ten Teil die­ser Blog­se­rie.

Jeder Füh­rungs­be­reich muss dar­über hin­aus mit Berei­chen koope­rie­ren kön­nen, die nach ande­ren Prin­zi­pi­en und Mus­tern orga­ni­siert sind wie bspw. Lini­en­or­ga­ni­sa­ti­on, Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on, etc. Die Matrix­or­ga­ni­sa­ti­on ist dabei das bekann­tes­te Bei­spiel, wie ver­schie­de­ne Füh­rungs­sys­te­me gekop­pelt wer­den. Meis­tens exis­tiert hier eine dis­zi­pli­na­ri­sche Füh­rung durch Vor­ge­setz­te in einer Lini­en­or­ga­ni­sa­ti­on ortho­go­nal (recht­wink­lig) zu einer inhalt­li­chen Füh­rung in einer Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on durch Pro­jekt­lei­te­rin­nen o.ä.

Die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Berei­chen, die nach unter­schied­li­chen Prin­zi­pi­en geführt wer­den und nach unter­schied­li­chen Mus­tern struk­tu­riert wer­den, ist in der Regel kein beson­de­res Pro­blem, solan­ge die Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che halb­wegs ein­deu­tig und bekannt sind, nicht wider­sprüch­lich agie­ren (was in vie­len Matrix­or­ga­ni­sa­tio­nen aber lei­der struk­tu­rell pro­vo­ziert wird) und Ansprech­part­ner, d.h. expli­zi­te Schnitt­stel­len­ver­ant­wort­li­che, benannt sind. Inso­fern fin­det auch die Koope­ra­ti­on zwi­schen Mit­glie­dern eines kol­le­gi­al geführ­ten Berei­ches mit Mit­glie­dern einer Lini­en­or­ga­ni­sa­ti­on in bekann­ter Wei­se statt.

Kontextmarkierung

Die Koexis­tenz ver­schie­de­ner Führungs- und Orga­ni­sa­ti­ons­sys­te­me funk­tio­niert umso bes­ser, je kla­rer allen Betei­lig­ten ist, in wel­chem Kon­text sie sich mit wel­chem Anlie­gen gera­de befin­den: Wo gel­ten wel­che Regeln und Prinzipien?

So wie die glei­chen Men­schen in ver­schie­de­nen Kon­tex­ten unter­schied­li­ches Ver­hal­ten zei­gen, bei­spiels­wei­se in einem Fuß­ball­sta­di­on ganz anders als in einem Thea­ter­haus, so kön­nen auch in Orga­ni­sa­tio­nen ganz unter­schied­li­che Ver­hal­tens­wei­sen und damit Kul­tu­ren in den ver­schie­de­nen Sub­sys­te­men und Kon­tex­ten sicht­bar wer­den. Das Ver­hal­ten von Men­schen ist weni­ger von der Per­sön­lich­keit, son­dern maß­geb­lich vom Kon­text abhängig.

Die Umstel­lung von einer Lini­en­or­ga­ni­sa­ti­on zu einer kol­le­gia­len Orga­ni­sa­ti­on kann lang­sam und schritt­wei­se erfol­gen und somit zu einer zeit­wei­sen oder dau­er­haf­ten Koexis­tenz der bei­den Sys­te­me wer­den. In die­sem Fall ist es sehr wich­tig, dass die Kol­le­gin­nen den jeweils gül­ti­gen Kon­text sicher unter­schei­den können. 

Klare innere Struktur- und Prozessvorgaben zum Start

Egal, wel­chen Ent­wick­lungs­stand eine Orga­ni­sa­ti­on hat – mit dem Modell des klein­schrit­ti­gen erpro­ben­den Her­an­tas­tens ist sie in der Lage, sich sys­te­ma­tisch wei­ter zu ent­wi­ckeln, zu ler­nen und zu ver­bes­sern. Aber wie kommt eine Orga­ni­sa­ti­on über­haupt dazu, die­ses Modell in Betrieb zu neh­men und sei­ne Anwen­dung zu beginnen?

Die­ses Henne-Ei-Problem lösen wir dadurch, dass wir als Bera­te­rin­nen oder Initia­to­rin­nen ganz kon­kre­te Start­prak­ti­ken vor­schla­gen. Ein der­zeit übli­cher Vor­schlag ist der Füh­rungs­mo­ni­tor, wie wir ihn in unse­rem Buch aus­führ­li­cher beschrei­ben. Dane­ben gibt es zahl­rei­che ande­re mög­li­che Start­prak­ti­ken. Viel wich­ti­ger als die Fra­ge, wie gut der Start­vor­schlag ist, ist jedoch die Tat­sa­che, dass über­haupt ein kon­kre­ter Vor­schlag exis­tiert. Ande­ren­falls wür­de die Orga­ni­sa­ti­on in ein Vaku­um gera­ten. Die Mög­lich­keit zur Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on wür­de in die Selbst­über­las­sung mün­den. Die Kol­le­gin­nen wären heil­los über­for­dert, da sie immer noch nicht wüss­ten, was sie tun soll­ten, um sich selbst zu orga­ni­sie­ren. Die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on soll­te mit Orga­ni­sa­ti­on begin­nen, bevor das Selbst dominiert.

Um unnö­ti­ge grup­pen­dy­na­mi­sche Pro­zes­se zu ver­mei­den, beginnt die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on also mit einem Akt der Fremd­or­ga­ni­sa­ti­on. Das mag auf den ers­ten Blick para­dox klin­gen, ent­schei­dend ist jedoch, dass die (fremd) vor­ge­schla­ge­nen Prak­ti­ken eine Lern­schlei­fe und damit die Anpas­sung auch der initia­len vor­ge­schla­ge­nen Prak­ti­ken beinhalten.

Vorab-Schulungen?

Eine Alter­na­ti­ve wäre, die Kol­le­gin­nen der betrof­fe­nen Orga­ni­sa­ti­on erst­mal zu schu­len und sie zu befä­hi­gen, selbst kom­pe­tent Vor­schlä­ge zu ent­wi­ckeln. Die­ser Weg ist jedoch erheb­lich auf­wän­di­ger, er kos­tet mehr Zeit, Geld und Ner­ven, und wird den­noch kaum ein ver­gleich­ba­res Ergeb­nis bringen.

Eine kon­ti­nu­ier­li­che Lern­be­glei­tung, mit der die betei­lig­ten Kol­le­gen ganz grund­le­gen­de kom­mu­ni­ka­ti­ve Grund­fer­tig­kei­ten auf­bau­en kön­nen, hal­ten wir hin­ge­gen zweckmäßig.

Klare Startsituationen auch im Kleinen

So wie wir uns um eine gro­ße Prozess- und Struk­tur­si­cher­heit bei der Ein­füh­rung agi­ler Organisations- und Füh­rungs­prin­zi­pi­en bemü­hen, so ver­su­chen wir dies eben­so im Klei­nen, bei­spiels­wei­se, wenn neue Krei­se oder Rol­len kon­sti­tu­iert wer­den. Jeder Kreis braucht einen Namen, einen Zweck, eine ein­deu­ti­ge Mit­glie­der­lis­te (Zuge­hö­rig­keit), eine Min­dest­men­ge von Rol­len zur eige­nen Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und eine Min­dest­men­ge von Arbeits­tref­fen bzw. Pro­zes­sen, um die grund­le­gen­de Arbeits­fä­hig­keit des Krei­ses zu gewährleisten. 

Ende

Damit sind wir am Ende unse­rer Blog­se­rie, mit der wir die aus unse­rer Sicht wich­tigs­ten Bau­stei­ne einer kol­le­gia­le geführ­ten agi­len Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung beschrei­ben wollten.

Wei­te­re Mate­ria­li­en und Ange­bo­te zum The­ma fin­den Sie unter https://​kol​le​gia​le​-fueh​rung​.de/

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