Blogserie Bausteine agiler OE (Teil 4): Dialogische Prozessentwicklung

Nach­dem wir im letz­ten (drit­ten) Teil die­ser Blog­se­rie über das Sog­prin­zip (Pull-Prinzip) geschrie­ben hat­ten, ver­tie­fen wir hier den Pro­zess des Ver­ant­wor­tungs­über­gan­ges vom Prin­zip Füh­rungs­kraft zum neu­en Prin­zip Füh­rungs­ar­beit. Im Rah­men einer kol­le­gi­al geführ­ten Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung zie­hen sich Kol­le­gin­nen schritt­wei­se Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che. Damit dies gut funk­tio­niert, brau­chen alle Betei­lig­ten einer­seits Klar­heit, wer für was ver­ant­wort­lich ist und zum ande­ren einen ver­trau­ens­bil­den­den Pro­zess für den Wech­sel von Ver­ant­wor­tung vom alten ins neue Führungssystem. 

Ein wich­ti­ges Werk­zeug ist dabei die Dele­ga­ti­ons­ma­trix (sie­he Abbil­dung). In die­ser wer­den ver­schie­de­ne Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che genannt und in Spal­ten mar­kiert, ob die Geschäftsführung/Führungskraft die Ver­ant­wor­tung behält oder ob die Kol­le­gen­schaft dies über­neh­men kann. Außer­dem wer­den even­tu­el­le Beson­der­hei­ten (Dele­ga­ti­on an bestimm­te Kreise/Rollen, Informations- und Kon­sul­ta­ti­ons­an­for­de­run­gen, Veto­mög­lich­kei­ten etc.) benannt.

Obwohl wir einer­seits Zustän­dig­kei­ten und Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che klar benen­nen und sicht­bar machen möch­ten, geht es eben­so stets dar­um, dass die invol­vier­ten und betrof­fe­nen Per­so­nen in einer ver­trau­ens­vol­len und belast­ba­ren Arbeits­be­zie­hung stehen.

Jede Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lungs­maß­nah­me hat mehr oder weni­ger Aus­wir­kun­gen auf die Arbeit eini­ger, manch­mal auch sehr vie­ler Kol­le­gin­nen. Wenn Zustän­dig­kei­ten und Abläu­fe ver­än­dert wer­den, geben eini­ge Kol­le­gen Ver­ant­wor­tung oder Auf­ga­ben ab und ande­re über­neh­men sie. Eini­ge Kol­le­gen wer­den ermäch­tigt oder mit beson­de­ren Ent­schei­dun­gen beauf­tragt. Die­se Über­ga­ben und Ermäch­ti­gun­gen möch­ten wir als dia­lo­gi­schen Pro­zess ver­ste­hen, der durch unter­schied­li­che und meist mode­rier­te Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­ma­te gestal­tet wird, bei­spiels­wei­se ori­en­tiert an der abge­bil­de­ten Kontextbrücke.

Die for­ma­le Über­ga­be und Ver­än­de­rung von Ver­ant­wor­tung kann schnell umsetz­bar sein, auf der sozia­len Ebe­ne bedarf es meis­tens eines gegen­sei­ti­gen Ver­trau­ens. Wer Ver­ant­wor­tung neu über­nimmt oder etwas Neu­es aus­pro­biert, bekommt einen Ver­trau­ens­vor­schuss der Kol­le­gin­nen oder bis­he­ri­gen Ver­ant­wort­li­chen. Die neu­en Hand­lun­gen der Per­son wer­den von den ande­ren beob­ach­tet und die Ver­trau­ens­wür­dig­keit wird geprüft und bewer­tet: Wird die Per­son der Auf­ga­be gerecht? Macht sie es aus­rei­chend gut? Wie kön­nen wir sie gut unterstützen?

Eben­so kann sich auch die ver­ant­wort­li­che Per­son sol­che Fra­gen stel­len: Was brau­che ich noch? Wie bewer­ten die ande­ren mei­ne Arbeit? Bin ich selbst zufrieden?

Je bes­ser alle Betei­lig­ten in Kon­takt ste­hen und sich über sol­che Fra­gen aus­tau­schen, ihre Erwar­tun­gen klä­ren, fall­be­zo­gen Feed­back geben und even­tu­el­le Span­nun­gen iden­ti­fi­zie­ren des­to ein­fa­cher und auch schnel­ler kann die Ver­än­de­rung gelingen. 

Da wir Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung nicht mehr als gro­ße Pro­jek­te begrei­fen, son­dern als einen ste­ti­gen Fluss klei­ner ele­men­ta­rer Erpro­bun­gen, sind die Erwar­tun­gen, Zuschrei­bun­gen und Ver­ant­wort­lich­kei­ten weni­ger dif­fus und kön­nen sich auf ein­zel­ne oder zumin­dest sehr weni­ge Per­so­nen beziehen.

Ermächtigende Entwicklung

Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on wird immer noch mit dem Vor­ur­teil kon­fron­tiert, zu völ­lig inef­fi­zi­en­ten und auf­rei­ben­den End­los­dis­kus­sio­nen zu füh­ren. Mehr­heits­ent­schei­dun­gen ste­hen im Ruf, Mit­tel­maß zu produzieren.

Des­we­gen gilt das Prin­zip, mög­lichst kei­ne inhalt­li­chen Ent­schei­dun­gen in Teams oder Grup­pen zu tref­fen, son­dern statt­des­sen die Per­son oder Per­so­nen zu bestim­men, die dann über die Inhal­te entscheiden. 

Selbst­er­mäch­ti­gung ist ver­tret­bar, wenn die selbst­er­mäch­tig­ten Hand­lun­gen in klei­nen und gut ver­kraft­ba­ren Schrit­ten erfol­gen und die Hand­lun­gen und Ergeb­nis­se sys­te­ma­tisch reflek­tiert wer­den, um gemein­sam dar­aus zu ler­nen. Selbst­er­mäch­ti­gung beginnt mit Mut und einem Ver­trau­ens­vor­schuss. Die Grö­ße des Ver­trau­en­schus­ses bestimmt die Grö­ße der selbst­er­mäch­tig­ten Schrit­te. Der gemein­sa­me Lern­pro­zess bestä­tigt in der Regel den Vor­schuss und schafft so sys­te­ma­tisch neu­es Vertrauen.

Je siche­rer die Betei­lig­ten sich ihrer gemein­sa­men Wer­te und Prin­zi­pi­en sind, des­to belast­ba­rer und muti­ger wird die Selbst­er­mäch­ti­gung sein.

Vor­aus­set­zung ist dafür eine ech­te Eigen­ver­ant­wort­lich­keit. Das heißt, die selb­stän­dig han­deln­den Per­so­nen müs­sen auch unmit­tel­bar die Kon­se­quen­zen ihres Han­delns spü­ren kön­nen. Wenn jemand bei­spiels­wei­se einen neu­en Kol­le­gen ein­stellt oder eine neue Maschi­ne kauft, dann soll­te er auch selbst mit dem neu­en Kol­le­gen zusam­men­ar­bei­ten müs­sen oder die Maschi­ne selbst benut­zen müssen.

Die Kon­text­brü­cke ist das Bin­de­glied zwi­schen der Dele­ga­ti­ons­ma­trix und dem (im drit­ten Teil der Blog­se­rie dar­ge­stell­ten) Füh­rungs­mo­ni­tor (Team-Board).

Ausblick

Im nächs­ten Teil der Blog­se­rie wird es um die äuße­re und inne­re Prozess- und Struk­tur­si­cher­heit gehen.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. […] Für die kol­le­gia­le Füh­rung defi­nie­ren wir die Rah­men­be­din­gun­gen in der Form einer Dele­ga­ti­ons­ma­trix, die beschreibt, wel­che Zustän­dig­keits­be­rei­che und Füh­rungs­as­pek­te kol­le­gia­le gestalt­bar sind, als auch, ob und wie weit die­se schon von der kol­le­gia­len Füh­rung adap­tiert wur­den. Dies war The­ma im letz­ten Teil die­ser Blogserie. […]

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