In diesem dritten Teil der Blogserie geht es um die Konzeptionsphase. Der von den Inhabern vorgegebene Rahmen (Beitrag Teil 2) ist initial auszufüllen und zu konkretisieren: Wie soll die Führung ganz konkret organisiert sein? Typischerweise konzipiert ein Übergangsteam aus Vertretern der Inhaberinnen, der bisherigen Führungskräfte und interessierter Kolleginnen das neue, initiale Organisationsmodell, wobei wiederum abschließend geprüft wird, was die Kollegenschaft insgesamt benötigt, um damit starten zu können.
Konzeptionsphase: Initiales Organisationsmodell entwerfen
Dieser Schritt ist vermutlich der wichtigste beim Start in die Selbstorganisation. Die Kollegenschaft wäre völlig überfordert, wenn sie mit den Rahmenbedingungen alleingelassen würde und es einfach hieße, jetzt organisiert euch selbst.
Es sind neue Führungs- und Arbeitskonzepte zu lernen und zu entwickeln – die Kolleginnen sind jedoch in der Regel keine Expertinnen für Organisationsentwicklung oder Führung. Sie sind Expertinnen ihrer Fachlichkeit und können meistens auch ihre eigene Arbeit gut organisieren. Schwerer fällt ihnen die Wahrnehmung, Koordination und Führung übergeordneter Belange.
Die Kollegen können sich nicht selbst organisieren, wenn sie nicht wissen wie.
Es ist auch schwierig, nach etwas zu fragen, was man nicht kennt. Deswegen sind initiale Prozesse, Strukturen und Prinzipien vorzugeben oder bereitzustellen (in Abb. 26 blau dargestellt). Sie sind initial, weil sie von den Beteiligten anschließend selbst verändert und weiterentwickelt werden können, sobald sie sich sicher genug fühlen oder es für notwendig halten.
Folgendes sollte bereitgestellt werden:
- Welche Kreise gibt es? Wie heißen sie? Welche Zuständigkeiten, Rechte, Pflichten, Ressourcen etc. haben sie? Welche Beziehungen (Repräsentanten, Ansprechpartner) zu anderen Kreisen sollen bestehen?
- Wer ist Mitglied in welchem Kreis oder wie wird über die Mitgliedschaft entschieden?
- Welche speziellen Rollen hat der Kreis zu besetzen?
- Wann soll ein Kreis welche Entscheidungsverfahren anwenden?
- Welche regelmäßigen Arbeitstreffen gibt es?
Die Bereitstellung dieses Ausgangszustandes könnte eine der letzten Aufgaben und Leistungen der bisherigen Führungskräfte sein, da es um deren bisherigen Domänen geht – unterstützt und begleitet von einem Team interessierter und gestaltungsfreudiger Kollegen (Übergangs- bzw. Transitionsteam).
Das Übergangsteam
Die initialen Organisationsstrukturen, -prinzipien und -prozesse können weder vom bisherigen Management allein noch von der gesamten Kollegenschaft entwickelt werden.
Die Kollegenschaft muss die neue Organisation maßgeblich mitgestalten, denn sie muss diese akzeptieren und in Gebrauch nehmen wollen. Andererseits interessieren sich nicht alle Kollegen für diese Gestaltungsaufgabe und nicht alle verfügen über ausreichende Erfahrung mit Organisations- und Führungsthemen. Außerdem genießen nicht alle Mitarbeiter gleichermaßen das Vertrauen ihrer Kollegen bei solchen Entscheidungen.
Ein Übergangsteam (Transitionsteam) kann hier helfen:
- Die Inhaber und die oberste Geschäftsführung entsenden selbst Mitglieder in das Transitionsteam,
- das bisherige mittlere Management ebenfalls und
- auch die Kollegenschaft wählt Personen zur Mitarbeit aus.
Das Übergangsteam kann sich bereits wie die späteren Führungskreise organisieren, also einige interne Rollen wählen (Gastgeber etc.) und Einwandintegration mit Vetomöglichkeit als Entscheidungsverfahren verwenden.
Zusätzlich ist Wissen über die Gestaltungsmöglichkeiten kollegial geführter Organisationen notwendig. Entweder gibt es bereits Wissen in der Organisation, dann gehören die Wissensträger unbedingt in das Transitionsteam. Oder Teile bzw. das komplette Übergangsteam lernen dazu, durch Bücher, wie das vorliegende, Trainings oder den Austausch mit bereits kollegial geführten Organisationen. Das Übergangsteam kann auch externe Experten und Prozessbegleiter in diese Phase einbeziehen – was nicht nur bequemer, sondern vor allem auch effizienter sein kann.
Das Übergangsteam sollte sowohl von den Inhabern und der Geschäftsführung als auch von der Kollegenschaft einen klaren Auftrag erhalten. Die Wahl und Beauftragung dieses Teams ist eine der ersten wichtigen Aktivitäten der zweiten Phase.
Transformation Linien- zu Kreismodell
Eine vorhandene Linienorganisation kann als Ausgangspunkt für die Transformation verwendet werden, wobei die bisherigen Organisationseinheiten (bspw. Abteilungen) nicht zu Kreisen werden, sondern vielmehr die Beziehungen („Berichtswege“) zwischen den Hierarchieebenen repräsentieren.
Ein Informatiker, der ein Organigramm als ein Graph aus Knoten und Kanten sieht, würde sagen: aus den bisherigen Kanten werden die neuen Knoten. Die Kreise können zunächst die Namen der früheren oberen Organisationseinheiten tragen.
Im nächsten Schritt können dann die tatsächlich gelebten Zuständigkeiten und Arbeitsbeziehungen identifiziert werden, um besondere permanente Koordinationsbeziehungen im Kreismodell zu berücksichtigen, bspw. durch Rollen oder Nachbarkreis-Repräsentanten. Dabei sollten so wenig Rollen und Kreise wie nötig kreiert werden. Die Mitarbeiter kennen ihre Arbeit und wissen, was zu tun. Deswegen muss nicht die gesamte Ist- oder Soll-Situation beschrieben werden, sondern nur so viel, dass die Koordination und Kollaboration angemessen gut funktioniert.
Dieses Transformationsmuster berücksichtigt auch ein anderes Verständnis über den Zweck der Organisationseinheiten:
- Arbeitsorganisation: In der Linienorganisation wird die operative Arbeit abgeteilt. Die Mitarbeiter werden Abteilungen zugewiesen, in denen die Arbeit für einen Zuständigkeitsbereich geleistet wird. Dies ist eine Pfadabhängigkeitaus der Zeit, als die Produktionsarbeit dominierte, denn heute dominieren Service- und Wissensarbeit.
- Führungsorganisation: In der kollegial-geführten Kreisorganisation bilden sich Führungskreise. Es finden sich die Mitarbeiter zu Kreisen zusammen, die etwas zu entscheiden und koordinieren haben, die miteinander im Interesse des Unternehmens kommunizieren müssen.
Es geht also nicht mehr darum, wer was arbeitet, sondern wer was zu koordinieren und zu führen hat: Die neue Organisation ist keine Arbeitsorganisation, sondern eine Führungsorganisation.
Der nächste (in Kürze erscheinende) Beitrag dieser Serie behandelt dann die dritte Phase mit dem Übergang zur operativen Selbstorganisation.
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