„Are you ready?“ Für welchen Schritt sind Sie gerade bereit?

Im zweiten Teil unserer lockeren Blog-Reihe über die zehn Dimensionen der agilen Transformation (dargestellt im Wabenmodell) schreiben wir darüber, wie unser Modell als Readiness Check zum Start und unterwegs genutzt werden kann. Wir vertiefen das in diesem Beitrag dann am Beispiel der Dimension „Gesamthafte Ausrichtung“ und beschreiben zu dieser Dimension auch konkrete Handlungsmöglichkeiten.

Kurz zur Erinnerung: Mit dem Wabenmodell wollen wir Unternehmen unterstützen, die sich verändern wollen. Das Wabenmodell ist unsere Antwort auf die komplexen Anforderungen von Transformationsprozessen. Wir nutzen es mit unseren Kundinnen regelmäßig von der Auftragsklärung bis hin zur Evaluation von einzelnen Schritten zu einer Veränderung.

Readiness Check: Für welchen nächsten Schritt sind wir gerade bereit?

Jede Wabe steht für eine Dimension oder Ebene des Lebens in einer Organisation. Jede einzelne Wabe kann auch Zielort für Veränderungen sein. Alle Waben sind miteinander verbunden. Doch jede Wabe lässt sich auch für sich beobachten und beeinflussen. Das Wabenmodell erleichtert es, die jeweils passenden „Eingangstüren“ für Veränderungen zu finden und auch zwischendurch auf den Status quo zu schauen.

Diese „Eingangstüren“ lassen sich am einfachsten durch einen Selbstest öffnen: Verschiedene Anforderungen in unseren Beratungsprozessen haben uns dazu gebracht, einen Fragebogen zur Selbst- und Fremdeinschätzung zu entwicklen. Diesen Fragebogen und das damit verbundene Workshop-Format nennen wir „Readiness Check“. Das ist eine kurze  Standortbestimmung mit Hilfe eines Selbsttests, der sich auch online machen lässt, und darauf folgenden Gesprächen oder einem Workshop zur Auswertung.

Dieser Test oder Readiness Check liefert Menschen in Organisationen schnell eine Antwort auf die Frage: „Wo sollen wir anfangen oder wie sollen wir weitermachen in unserer agilen Transformation?“. Oder: „Für welchen nächsten Schritt sind wir jetzt gerade bereit?“

Viele unserer Kunden erleben das als hilfreich beim Starten hin zu einem veränderten Organisationsbild und agileren Formen der Zusammenarbeit.

Der Readiness Check erleichtert es uns zudem als Beraterinnen, gemeinsam mit Kunden Beobachtungen und Arbeitshypothesen zu besprechen und auf dieser Basis in einzelnen Waben oder Dimensionen passgenaue Maßnahmen und logische nächste Schritte zu setzen.

Readiness Check zum Stand der Dinge: Wie Schieberegler an einem Mischpult

Die Arbeit mit dem Readiness Check läuft zum Beispiel so: Ein Team schätzt sich mit dem Fragebogen zu jeder Wabe ein und entwickelt so einen gemeinsamen Blick auf sich selbst. Auf dieser Basis kann das Team dann gut selbst entscheiden, welche Schwerpunkte es für die weitere Entwicklung setzen will.

Das Team erhält damit eine größere Sicherheit und entscheidet gemeinsam, „ob wir ready sind“ für nächste Entwicklungsschritte – und in welche Richtung die nächsten Schritte gesetzt werden sollen. Somit entsteht ein gemeinsames Verständnis für den aktuellen Status. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Teams sich in Selbstbeobachtung üben und das Ergebnis des Tests auch ein relevantes Feedback darstellt.

Bei der Entwicklung unserer Skalen haben wir uns an folgenden Dingen orientiert: In agilen Kontexten gibt es die auf ein traditionelles japanisches Konzept des Lernens zurückgehende Reifegrad-Unterscheidung „Shu-ha-ri“. Frei übersetzt bedeuten die drei Schritte: Lernen (Shu) – Abweichen (ha) – eigene Wege gehen (ri). Wir übertragen diese Reifegrade in der Organisationsentwicklung in die Stufen „Wissen“ – „Erfahrung“ – „Integration“.

Um unsere Kund:innen und Teams noch besser und differenzierter mit den Entwicklungsstufen in den einzelnen Dimensionen in Kontakt zu bringen und feinere Beobachtungen darstellen zu können, haben wir daraus mit Zwischenstufen eine 5er-Skala gemacht. Die fünf Stufen bringen wie mit einem Schieberegler an einem Mischpult unterschiedliche Reifegrade oder Entwicklungsstufen zum Ausdruck.

Die einzelnen Stufen in der 5er-Skala beschreiben wir so:

  • Stufe 1: Wir lernen das Thema kennen („Diffus“)
  • Stufe 2: Wir machen erste Schritte (im Kompetenzaufbau) im jeweiligen Thema („Grundidee“).
  • Stufe 3: Wir üben Neues zum jeweiligen Thema aktiv, halten uns an die selbst gesetzten Regeln und gewinnen an Sicherheit („Formal“)
  • Stufe 4: Wir sind erfahren und nehmen gemeinsam situative Anpassungen vor („Situativ“).
  • Stufe 5: Wir meistern das Thema und entwickeln es auf eigene Art weiter („Wertschöpfende Meisterschaft“).

Diese Grundskala macht die Zustände aller Dimensionen oder Waben miteinander vergleichbar. Die Bedeutung der einzelnen Reifegrade ist schnell gelernt und unmittelbar einleuchtend. (Zumindest haben wir beim Anwenden noch keine anderen Erfahrungen gemacht.)

Der Check ist für jede einzelne Dimension mögich

Jede Wabe steht für eine Dimension oder ein wichtiges Handlungsfeld auf dem Weg in die agile Organisation. Das sind für uns: Gesamthafte Ausrichtung, Haltung und Werte, Methoden, Prozesse, Handlungsrahmen, Feedbackkultur, Kommunikation, Rollen, Verantwortungsübernahme. Zu jeder Wabe/jedem Handlungsfeld gibt es eine tiefere Erklärung als Ergänzung zur Grundskala.

Mit unseren Kund:innen besprechen wir jeweils die für sie passende Beschreibung der Skalen zu den einzelnen Handlungsfeldern/Waben. Dann geht es los und wir starten unseren Readiness Check in Form eines Online-Tests oder mit einem Workshop zur Selbsteinschätzung. Die zentrale Frage lautet dabei: Wo stehen wir genau in den einzelnen Dimensionen? In welchen Dimensionen liegen unsere größten Stärken – und wo ist der dringlichste und wichtigste Entwicklungsbedarf?

Readiness Check und die Dimension „Gesamthafte Ausrichtung“

Und jetzt schildern wir das Vorgehen im Readiness Check beispielhaft an der  Dimension „Gesamthafte Ausrichtung“.

Gesamthafte Ausrichtung heißt für uns, dass wir uns bei unseren täglichen Entscheidungen im Unternehmen einerseits am gesamten Interesse der Organisation ausrichten und gleichzeitig dafür sorgen, dass jede:r Einzelne schlicht und einfach gut und sinnvoll arbeiten kann.

Die gesamthafte Ausrichtung ist ein Thema, das in der Organisationsentwicklung immer schon bedeutsam war. Unternehmen beschreiben ihre Vision, Mission und welchen Beitrag sie für die Gesellschaft leisten wollen. Doch innerhalb von Unternehmen oder auch innerhalb eines Teams kann es zu Spannungen und Interessenskonflikten kommen. In Konzernen hören wir oft Klagen über das „Silodenken“ wie solche Sätze: „Hier kocht jeder Bereich sein eigenes Süppchen und schaut nicht, was die anderen brauchen.“  

Wie weit richten die Mitglieder ihr Handeln und ihre Entscheidungen am Zweck der Organisation oder des Teams aus?

Kernfragen zur gesamthaften Ausrichtung lauten: Wie können wir dafür sorgen, dass jeder richtig gut arbeiten kannn und gleichzeitig immer das „große Ganze“ im Blick ist? Gibt es ein gemeinsames „WHY“? Und wie kann dieser Zweck der Organisation durchgehend Bestandteil von Entscheidungen sein?

Beispiel: Interne IT unter Spannung

Die interne IT-Abteilung eines Unternehmens erlebt sich selbst als „gut aufgestellt“ und innovativ. Die Menschen in den Teams haben realistische Chancen, ihre individuellen Zielvorgaben zu erreichen. Stimmung und Motivation werden als „überwiegend gut oder besser“ beschreiben. Doch im Bereich gibt es auch Spannungen in Bezug auf die interne Zusammenarbeit zwischen dem Kundenservice und den agilen Entwicklerteams. Und im Rest des Unternehmens baut sich teilweise Groll auf gegenüber der internen IT nach dem Muster: „Die kippen uns permanent neue Anforderungen und Formulare vor die Füße. Das kostet uns viel Zeit und bringt uns nichts, obwohl wir sogar dafür bezahlen müssen. Dabei sollten die doch Dienstleister sein, damit wir unseren Job gut machen können.“

Nachdem die Spannungen zwischen IT und Gesamtorganisation auch bei einer Führungsklausur zu einem offenen Konflikt geführt haben, bewerten sich die Kolleg:innen der IT in einem kurzen Meeting selbst zu ihrer „Gesamthaften Ausrichtung“ anhand der unten abgebildeten Standard-Skala zu dieser Dimension. (Standard-Skala bedeutet, dass die Skala zur „Gesamthaften Ausrichtung“ vorab nicht eigens auf die speziellen Anforderungen des Unternehmens angepasst worden ist.)

Das Ergebnis: Im Schnitt ergaben alle Antworten einen Wert von 2,8.

Standard-Skala zur Dimension Gesamthafte Ausrichtung (nicht individuell auf ein Team oder Unternehmen angepasst).

 

Im Workshop nach dem kurzen „Readiness Check“ gibt es dann schnell zwei Handlungsfelder mit konkreten nächsten Schritten:

  1. Zur Verbesserung der interne Arbeitsorganisation sollen die Entwickler nur noch in Abstimmung mit den Kolleg:innen im IT-Service Updates und Neuerungen ausrollen.
  2. Außerdem bildet sich ein Kreis mit dem Zweck, Rückmeldungen, Veränderungsvorschläge und konkrete Bedarfe versuchsweise von drei anderen Bereichen des Unternehmens einzuholen, um mehr Informationen zu gewinnen, was diese als „Kunden“ des Bereichs dafür brauchen, ihren Zweck zu erfüllen.

Andere Optionen, um die Gesamtsicht gut im Blick zu behalten, wären zum Beispiel:

  • Die Rolle „Auswirkungs-Checker“ zu beschreiben und zu wählen. Diese Rolle hat im Blick, welche Auswirkungen unser Tun auf andere haben könnte.
  • Konsultations- und Abstimmungsprozesse entsprechend anzupassen – nicht, damit noch mehr Menschen über eine Sache reden, sondern um mögliche Betroffene zu involvieren und Ressourcen zu schonen.
  • Einen Workhack wie den „Kundenstuhl“ in einen „Gesamtstuhl“ umzuwandeln und darzustellen, um bei Entscheidungen immer verschiedene gesamthafte Perspektiven einzubeziehen.

Der Mehrwert: Spannungen in der „Gesamthaften Ausrichtung“ bearbeiten

Mit der Wabe „Gesamthafte Ausrichtung“ möchten wir dazu beitragen, dass der Blick auf dieses Spannungsfeld gerichtet wird und ein Dialog unter den Akteuren entsteht. Ist das ein Mehrwert? Wir denken ja!

Wenn wir die Wabe „Gesamthafte Ausrichtung“ mit unseren Kund:innen in den Fokus nehmen, stellen wir zum Beispiel folgende Leitfragen zur Beobachtung:

  1. Gibt es ein gemeinsames Verständnis zum Zweck der Organisation – und auch zum Zweck der Transformation?
  2. Wird die Gesamtsicht der Organisation bei der Entwicklung von Zielen und Prioritäten im Team oder Bereich jeweils berücksichtigt?
  3. Wie weit richten die Mitglieder ihr Handeln und ihre Entscheidungen am Zweck der Organisation oder des Teams aus?
  4. Wie gehen die Mitglieder mit Spannungen zwischen individuellen und Organisations-Bedürfnissen um? 
  5. Kennen alle Mitglieder ihren Beitrag zur Zielentwicklung und handeln auch danach?
  6. Was motiviert die Mitglieder der Organisation, einen wirksamen Beitrag zu leisten?

Jetzt haben Sie beim Lesen vielleicht schon Ihre eigene Organisation im Sinn gehabt. Gehen Sie gern allein oder mit Kolleg:innen die einzelnen Stufen oder Fragen zur „Gesamthaften Ausrichtung“ durch und bewerten Sie den aktuellen Zustand in Ihrer Organisation oder Ihres Teams spontan.

Wo steht der Schieberegler bei Ihnen? Schreiben Sie uns gern Ihre Gedanken dazu. 

Hier finden Sie weitere Informationen zu agiler Transformation und zum Readiness Check. Sie können auch die Broschüre zum Praxis-Workshop „Readiness Check“ herunterladen. Wenn Sie hier klicken, kommen Sie nach vorheriger Anmeldung zum Fragebogen zur Selbsteinschätzung mit allen anderen Dimensionen der Transformation (kostenpflichtig).