Dimensionen der agilen Transformation – Das Wabenmodell

Das Waben­mo­dell mit 10 Dimen­sio­nen der agi­len Organisationsentwicklung 

Mit dem Wabenmodell agile Organisationen gezielt beobachten und beeinflussen (Blogserie Teil 1)

Jede Organisation hat ihr eigenes facettenreiches Gesicht. Wie lässt sich in der Organisationsentwicklung das komplexe Zusammenspiel einzelner Handlungsfelder beeinflussen? Und wo soll man anfangen, wenn es um agile Transformation geht? Das „Wabenmodell“ verschafft Überblick und stützt gezielte Interventionen. 
 

Mit die­sem Text beginnt eine Rei­he mit Bei­trä­gen aus der bera­te­ri­schen Pra­xis von Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen aus dem next U Netz­werk und von uns nahe­ste­hen­den Bera­te­rin­nen und Bera­tern. Damit die­se sicher­lich multi-thematische Rei­he über agi­le Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung einen Rah­men und eine Struk­tur bekommt, star­ten wir (Kirs­ten Kratz und Karin Vol­bracht) mit dem “Waben­mo­dell”. Die­ses Modell ent­stand in der gemein­sa­men Arbeit im Rah­men eines Kundenprojekts. 

Das Waben­mo­dell bie­tet einen Bezugs­punkt für alle wei­te­ren Bei­tra­ge. Hier las­sen sich alle Aspek­te der agi­len Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung gut ver­or­ten. Jeder wei­te­re Text oder Pod­cast in die­ser Rei­he wird sich dann auf min­des­tens eine “Wabe” beziehen. 

Jede Organisation hat ihr eigenes Waben-Profil 

Orga­ni­sa­tio­nen sind viel­schich­tig und kom­plex. Orga­ni­gram­me oder agi­le Kreis­mo­del­le erzäh­len als Orga­ni­sa­ti­ons­bil­der kaum etwas dar­über, was die Orga­ni­sa­ti­on zusam­men­hält und funk­tio­nie­ren lässt. Mit Hil­fe des Waben­mo­dells (Abbil­dung unten) las­sen sich agi­le Orga­ni­sa­tio­nen gezielt beob­ach­ten und beeinflussen. 

Das Waben­mo­dell bil­det die Dimen­sio­nen der agi­len Orga­ni­sa­ti­on ab. Wir nut­zen es von der Auf­trags­klä­rung bis zur Eva­lua­ti­on von Prozess-Schritten oder für Befra­gun­gen der Kolleg:innenschaft, um die Beob­ach­tun­gen und Bedürf­nis­se unse­rer Kun­din­nen und Kun­den gut erfas­sen zu können. 

Jede Orga­ni­sa­ti­on hat ihre eige­nen Stär­ken – und jede Orga­ni­sa­ti­on hat ihre spe­zi­el­len und dring­li­chen Ent­wick­lungs­fel­der. Wir ste­hen als Bera­te­rin­nen und Bera­ter jeweils Sys­te­men mit kom­ple­xen und diver­sen Pro­fi­len gegen­über. Die “Waben” machen sowohl uns als auch den Kun­din­nen und Kun­den die Arbeit leichter. 

Wabenmodell-Abbildung: Karin Volbracht 

Die zehn Waben oder Dimensionen und die idealtypischen Kernaussagen dazu lauten: 

  1. Gesamt­haf­te Aus­rich­tung:  
    Die gemein­sa­me Idee, Zweck und Sinn der Orga­ni­sa­ti­on sind bei Ent­schei­dun­gen führend. 
  1. Rol­len:  
    Führungs- und Fach­ar­beit wird trans­pa­rent und dyna­misch geteilt und in Rol­len gelebt. 
  1. Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me:  
    Ver­ant­wor­tung wird inner­halb eines kla­ren Dele­ga­ti­ons­rah­mens über­nom­men. Das Ver­ant­wor­tungs­sys­tem funk­tio­niert und erfüllt den Zweck der Organisation. 
  1. Dele­ga­ti­ons­rah­men:  
    Hand­lungs­rah­men und Dele­ga­ti­ons­stu­fen sind in einem dia­lo­gi­schen Pro­zess geklärt. 
  1. Metho­den:  
    Agi­le Metho­den, Mode­ra­tio­nen, Ent­schei­dungs­werk­zeu­ge, Retro­spek­ti­ven sind eta­bliert und wer­den stän­dig weiterentwickelt. 
  1. Pro­zes­se:  
    Für wich­ti­ge, sich wie­der­ho­len­de Prak­ti­ken der Zusam­men­ar­beit gibt es beschrie­be­ne Pro­zes­se, die allen Betei­lig­ten bekannt und ohne Ein­wän­de eta­bliert wor­den sind. Auch die Pro­zes­se kom­men regel­mä­ßig auf den Prüf­stand und wer­den weiterentwickelt.
  1. Ent­schei­dun­gen:  
    Ent­schei­den wer­den von trans­pa­rent dele­gier­ten Gre­mi­en oder Ein­zel­per­so­nen in pas­sen­den Zeit­rah­men getrof­fen und doku­men­tiert. Sie wer­den in Retro­spek­ti­ven bewer­tet und gege­be­nen­falls angepasst. 
  1. Kom­mu­ni­ka­ti­on (und Infor­ma­ti­on):  
    In der Kom­mu­ni­ka­ti­on unter­ein­an­der herrscht ein lösungs­ori­en­tier­ter und wert­schät­zen­der Grund­sound. Trans­pa­renz und Offen­heit bei Unter­neh­mens­da­ten und in der inter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on lie­fern eine Basis für belast­ba­re, nach­hal­ti­ge Entscheidungen. 
  1. Feed­back und Feh­ler­kul­tur:  
    Es herrscht ein Kli­ma der Psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit. Wert­schät­zen­des Feed­back för­dert die Ent­wick­lung von Indi­vi­du­en und Teams. Feh­ler wer­den zum Ler­nen und zur Wei­ter­ent­wick­lung genutzt.
  1. Hal­tung und Wer­te:  
    Es wird regel­mä­ßig über Grund­hal­tun­gen und Wer­te in der Orga­ni­sa­ti­on reflek­tiert. Das gemein­sa­me Ver­ständ­nis dar­über ist im All­tag der Zusam­men­ar­beit und gegen­über dem “Außen” der Orga­ni­sa­ti­on erkennbar. 

Es gibt wohl keine Organisation, die in allen Dimensionen die selbst gesetzten Ideale erreicht 

Jetzt erschre­cken Sie bit­te nicht ange­sichts der mög­li­cher­wei­se her­aus­for­dern­den Kern­aus­sa­gen zu jeder Dimen­si­on. So “ide­al­ty­pisch” for­mu­liert ent­spre­chen die Beschrei­bun­gen einem extrem hohen Rei­fe­grad. Wir ken­nen ehr­lich gesagt kei­ne ein­zi­ge Orga­ni­sa­ti­on, die in allen Dimen­sio­nen die selbst gesetz­ten Idea­le erreicht hät­te. (Wenn Sie ein Unter­neh­men ken­nen, auf das alle Kern­aus­sa­gen zutref­fen, geben Sie uns bit­te Bescheid! Das wür­den wir gern kennenlernen.) 

Im nächs­ten Bei­trag lesen Sie dann Pra­xis­fra­gen zur Beob­ach­tung jeder Wabe. Damit fällt die Selbst­ein­schät­zung sicher­lich schon leichter. 

Wichtig dabei ist:  

  • Alle Dimen­sio­nen sind mit­ein­an­der ver­bun­den und haben Aus­wir­kun­gen auf das Gesamtbild. 
  • Jede „Wabe“ trägt zur Anpas­sungs­fä­hig­keit und Sta­bi­li­sie­rung des Gesamt­sys­tems bei. 
  • Jede „Wabe“ lässt sich beob­ach­ten und durch ver­schie­de­ne Maß­nah­men und Inter­ven­tio­nen beein­flus­sen.

Denken Sie mal an Fußball…

Das lässt sich gut mit einem Bild aus dem Fuß­ball erläu­tern: Stel­len Sie sich eine Champions-League-Mannschaft vor. Natür­lich möch­te die­se Mann­schaft Sie­ge erspie­len. Doch allein anhand der Trans­fer­sum­men oder der Profi-Gehälter lässt sich der Erfolg nicht vor­her­sa­gen. Denn es braucht Kom­pe­ten­zen oder Rei­fe in ver­schie­de­nen Berei­chen oder Dimen­sio­nen: Moti­va­ti­on, Tech­nik, men­ta­le und kör­per­li­che Fit­ness, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­freu­de auf dem Platz, Team­spi­rit, Qua­li­tät in Stan­dard­si­tua­tio­nen, Krea­ti­vi­tät, Über­zeu­gung, Aus­rüs­tung, medi­zi­ni­sche Versorgung…

Sport­re­por­ter reden gern über den rei­nen Trans­fer­wert oder die tech­ni­sche Qua­li­tät einer Mann­schaft, wenn sie Pro­gno­sen über Sieg oder Nie­der­la­ge able­gen. Doch um nach­hal­tig erfolg­reich zu sein, braucht eine Mann­schaft ein gutes Level in allen Dimen­sio­nen. Für das Manage­ment bedeu­tet das, ganz­heit­lich zu den­ken und “blin­de Fle­cken” auszuleuchten. 

Jede Wabe kann eine andere Eingangstür zum Wandel sein

In der Arbeit mit ein­zel­nen Teams oder Orga­ni­sa­tio­nen gehen wir durch die unter­schied­lichs­ten “Ein­gangs­tü­ren” – immer abhän­gig davon, wel­ches Pro­blem durch die Trans­for­ma­ti­on gelöst wer­den soll und wie die Aus­gangs­si­tua­ti­on ist. 

Hier eini­ge Bei­spie­le aus der bera­te­ri­schen Pra­xis für sehr unter­schied­li­che Bera­tungs­auf­trä­ge und Ansatz­punk­te in ver­schie­de­nen Dimen­sio­nen oder Waben. Jedes die­ser Bei­spie­le läuft aus der Per­spek­ti­ve der jewei­li­gen Kun­den unter dem begriff “Agi­le Organisationsentwicklung”:

  • Inner­halb eines Kon­zerns soll die Arbeit in den Füh­rungs­gre­mi­en neu struk­tu­riert wer­den, damit schnel­le­re und bes­se­re Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den. Hier haben die Dimen­sio­nen “Dele­ga­ti­ons­rah­men”, “Ent­schei­dun­gen” und “Ver­ant­wor­tungs­über­nah­me” zunächst Priorität.
  • Ein Sozi­al­un­ter­neh­men mit vie­len ein­zel­nen Gesell­schaf­ten möch­te “Kol­le­gia­le Füh­rung” ein­füh­ren, weil die­ses Kon­zept auch der christ­li­chen Grund­hal­tung, den Wer­ten und dem Par­ti­zi­pa­ti­ons­be­dürf­nis inner­halb der Orga­ni­sa­ti­on ent­spricht. Hier kön­nen ers­te Inter­ven­tio­nen in den Dimen­sio­nen “Metho­den”, “Kom­mu­ni­ka­ti­on” und “Rol­len” beim Start unterstützen.
  • Der Grün­der und Inha­ber eines gro­ßen Inge­nieur­bü­ros möch­te sei­nen Aus­stieg vor­be­rei­ten, indem er mehr Eigen­ver­ant­wor­tung und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on in sei­nem Unter­neh­men zulässt und aktiv unter­stützt. Der Inha­ber hat in der Auf­trags­klä­rung die Waben “Dele­ga­ti­ons­rah­men”, “Rol­len” und “Feedback- und Lern­kul­tur” priorisiert.

Leitfragen, Skalen, Umfragen zu jeder Dimension

Für jede Wabe oder Dimen­si­on haben wir Leit­fra­gen ent­wi­ckelt, mit denen sich die Wabe beob­ach­ten und bespre­chen lässt. Auch gibt es für jede Dimen­si­on eine Ska­la, mit der durch eine Selbst­ein­schät­zung oder in Umfra­gen der Sta­tus Quo oder der jewei­li­ge Rei­fe­grad ermit­telt wer­den kann. Die­se Selbst­ein­schät­zung ist nütz­lich, um zu Beginn einer Trans­for­ma­ti­on die Stär­ken zu ermit­teln und dar­auf auf­zu­bau­en. Auch kön­nen im Ver­lauf der Trans­for­ma­ti­on mit Hil­fe des Waben­mo­dells der Ent­wick­lungs­stand und die wei­te­ren Ent­wick­lungs­fel­der ermit­telt werden. 

Schluss­be­mer­kung: 
Das Waben­mo­dell ent­stand in einem Kun­den­pro­jekt der Com­mon­Ground Orga­ni­sa­ti­ons­be­ra­tung von Kirs­ten Kratz und wur­de immer wei­ter ent­wi­ckelt: Wir bedan­ken uns nicht nur bei den Vertreter*innen des betref­fen­den Kun­den, son­dern auch und von gan­zem Her­zen bei Ste­fan Gün­ther für sei­ne Impul­se und kri­ti­schen Nach­fra­gen und bei unse­rem next-U-Freund und Netz­werk­kol­le­gen Cars­ten Holt­mann. Cars­ten gehört auch zu den “Her­aus­ge­bern” der fol­gen­den Beitragserie. 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Dan­ke für die­se über­sicht­li­che Beschreibung!
    Als sys­te­ma­ti­sches Ori­en­tie­rungs­an­ge­bot für über­schau­ba­re Unter­neh­men kann ich mir das gut vor­stel­len. Zumal in die­sen Unter­neh­men oft wenig Erfah­run­gen ver­füg­bar sind, sich dazu selbst einen anspruchs­vol­len Ziel­zu­stand vor­zu­ge­ben. Gern wird auch gefragt: Wo ste­hen wir als Orga­ni­sa­ti­on? Der Hin­weis, dass es nicht um den Ver­gleich mit ande­ren gehen kann, unter­stüt­ze ich voll und ganz. Dass jede Unter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­on ein Ori­gi­nal ist, ver­ste­hen vie­le Ver­ant­wort­li­che sofort. Die Mode, nach dem “best prac­ti­ce” zu schie­len, wirkt dennoch.

    Dis­ku­tie­ren wür­de ich gern über Umset­zungs­er­fah­run­gen. Ver­mut­lich wird es nicht so vie­le Unter­neh­men geben, die für ein sol­ches sys­te­ma­ti­sches Vor­ge­hen offen sind.

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