Teamgründung / Kreiskonstitution mit Mittelorientierung

Eine hilfreiche Anwendung von Effectuation 

Eines mei­ner Steckenpferd-Themen ist die Nut­zung von unter­neh­me­ri­scher Exper­ti­se (Effec­tua­ti­on) für die ver­schie­dens­ten Kon­tex­te. Seit nun­mehr sie­ben Jah­ren beglei­tet mich Effec­tua­ti­on als Fun­dus für Inter­ven­ti­on und Pro­zes­se und als Teil mei­ner bera­te­ri­schen Hal­tung. Das The­ma Effec­tua­ti­on, wel­ches ursprüng­lich aus der Entrepreneurship-Forschung stammt, bie­tet mir für mei­ne Arbeit als Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­ler hilf­rei­che Prin­zi­pi­en und Werte. 

Heu­te möch­te ich mich im Beson­de­ren mit dem Prin­zip der Mit­tel­ori­en­tie­rung beschäf­ti­gen. Sie erfah­ren auch in Form einer detail­liert beschrie­be­nen Workshop-Sequenz, wie ich die­ses Prin­zip bei der Grün­dung neu­er Teams bezie­hungs­wei­se der Kon­sti­tu­ti­on neu­er Krei­se nutze.

Ungewissheit als Heimat für Effectuation

Als Grund­la­ge für die Nut­zung der Effectuation-Prinzipien und ‑Metho­den sei vor­aus­ge­schickt, dass vor allem Situa­tio­nen für die Anwen­dung geeig­net sind, in denen wir auf die eine oder ande­re Art Unge­wiss­heit ver­spü­ren. Wie sich der Begriff der Unge­wiss­heit gut defi­nie­ren und auch wie man den Grad der Unge­wiss­heit mes­sen könn­te, fin­det sich in die­sem alten Blog­ar­ti­kel.

Ungewissheit bei der Teamgründung (Kreiskonstitution)?

In Organisationsentwicklungs-Prozessen haben wir es oft mit der Grün­dung neu­er Krei­se oder Teams zu tun. Für die sys­te­ma­ti­sche Klä­rung und Doku­men­ta­ti­on der Aspek­te der Kreis­kon­sti­tu­ti­on bie­ten mei­ne Kol­le­gen Clau­dia Schrö­der und Bernd Oes­te­reich in ihrem Buch “Agi­le Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung“ mit dem Kon­sti­tu­ti­ons­pos­ter ein hilf­rei­ches Werk­zeug. 
Unge­wiss­heit besteht im Kon­text der Kreis­kon­sti­tu­ti­on bzw. Team­grün­dung aus mei­ner Sicht min­des­tens im Moment des ers­ten Zusam­men­tref­fens des Krei­ses. Beim Kick­off oder Grün­dungs­tref­fen sind noch vie­le Fra­gen unbeantwortet: 

  • Wie wird das neue Team/der neue Kreis zusammenpassen? 
  • Wer bringt was mit? 
  • Wer über­nimmt wel­che Rolle? 
  • Wie sieht es mit dem Ver­trau­en zuein­an­der aus? 
  • Wie sol­len wir in einen sys­te­ma­ti­schen Auf­bau unse­res Teams inves­tie­ren, wenn wir uns noch wenig kennen? 

Wer schon mal an sol­chen Grün­dungs­pro­zes­sen teil­ge­nom­men hat, kann sich ver­mut­lich vor­stel­len, wel­che Art von Unge­wiss­heit ich hier meine.

Mittelorientierung – 3 zentrale Fragen:

Wenn ich als Effec­tua­tor von Mit­tel­ori­en­tie­rung in Unge­wiss­heit spre­che, so steckt dahin­ter im Kern die Ant­wort auf die drei Fragen:

Wer bin ich? – Was weiß ich? – Wen ken­ne ich? 

In Bezug auf ein Team gestellt, lau­ten die Fra­ge natürlich:

Wer sind wir? – Was wis­sen wir? – Wen ken­nen wir?

Wenn wir Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen fin­den, haben wir die Mit­tel als Basis für unse­re Zusam­men­ar­beit ziem­lich gut umrissen. 

Im Effectuation-Kontext ist die Mit­tel­ori­en­tie­rung so wich­tig, weil wir uns zur Gestal­tung unge­wis­ser Situa­tio­nen nur auf unse­re eige­nen Mit­tel ver­las­sen kön­nen und die­se oft auch intui­tiv gewinn­brin­gend ein­set­zen. Die Auf­lis­tung mei­ner Mit­tel auf einem ent­spre­chen­den Arbeits­blatt mobi­li­siert mich, damit krea­tiv umzu­ge­hen und mei­ne Mit­tel in Bezug auf mein Vor­ha­ben einzusetzen.

Was steckt hinter den drei Fragen?

Wer bin ich?

Hier geht es um mich als Per­son und was mich bewegt. Ich fra­ge hier auch ger­ne „Wofür ste­he ich?“. Es geht dabei um mei­ne Vor­lie­ben, Wer­te und Nor­men, evtl. ein Leit­bild und um mei­ne Iden­ti­tät, den Cha­rak­ter und mei­ne Eigenschaften.

Was weiß ich?

Bei die­ser Fra­ge tra­ge ich zusam­men, was ich an Erfah­run­gen, Fähig­kei­ten, Fer­tig­kei­ten, Kom­pe­ten­zen, Wis­sen und Bil­dung mit­brin­ge. Auch Hob­bys kön­nen rele­vant sein. 

Wen ken­ne ich?

Und hier schau­en wir dann noch auf unser beruf­li­ches und per­sön­li­ches Netz­werk. Beruf­lich z.B. Kun­den, Lie­fe­ran­ten, Peer­groups, Part­ner, Inter­es­sen­ten, Mit­be­wer­ber, Infor­man­ten und Mei­nungs­ma­cher. Wir bli­cken auch in den pri­va­ten Kon­text mit Freun­den, Bekann­ten, Fami­lie oder Verein. 

Die Mittelanalyse zum Start eines neuen Teams

Zum Start eines neu­en Teams oder für eine Kreis­kon­sti­tu­ti­on nut­ze ich die Mit­tel­ori­en­tie­rung wie im Fol­gen­den beschrieben. 

Ablauf im Detail

Benö­tig­te Zeit im Rah­men eines Konstitutions-Termins: ca. 2 Stun­den (Abh. von der Anzahl der Mitglieder)

Am bes­ten im Stuhl­kreis orga­ni­sie­ren – es funk­tio­niert auch im vir­tu­el­len Raum mit Nut­zung von Kame­ra und Chat­funk­ti­on etc..

Das Vor­ge­hen Schritt für Schritt: Was wis­sen wir schon übereinander?

  1.   5 – 10 Min. Impuls: Wofür Mit­tel­ori­en­tie­rung im Team hilf­reich ist (s.o.).
  2. 10 – 15 Min. Ein­zel­ar­beit: Jeder beant­wor­tet für sich die drei Fra­gen auf einem pri­va­ten Blatt Papier. Rah­mung: „Das ist nur für Dei­nen per­sön­li­chen Gebrauch. Was Du davon mit Dei­nen Kolleg*innen hier im Team teilst, liegt ganz bei Dir.“ (Anmer­kung: Mit dem Beant­wor­ten der Fra­gen für sich selbst kann man auch gut eine Stun­de oder mehr ver­brin­gen. Im Team­set­ting ist mir das aller­dings zu viel Zeit.)
  3. 5 – 10 Min. je Teammitglied: 
    1. Alle ande­ren beleuch­ten für die­se Per­son ent­lang der drei Fra­gen, wel­che Mit­tel er/sie in unser Team mit­bringt. Dabei tei­len die Teamkolleg*innen, was sie über die­ses Mit­glied schon wis­sen, bzw. was sie bei ihm noch für Mit­tel ver­mu­ten (Fremd­bild).
    2. Im Anschluss geht die Per­son in Reso­nanz zu dem über sie Gehör­ten und ergänzt um die eige­nen Mit­tel, die sie für die Arbeit im Team noch für hilf­reich oder wis­sens­wert fin­det (Selbst­bild).
    3. Danach sucht sich die Per­son, die im Fokus stand, das nächs­te Team-Mitglied aus, für das es dann bei 3.1. wie­der losgeht.
  4. 10 Min. Reso­nanz aus der Grup­pe ein­ho­len: Wie war’s?

Ich habe das bereits vie­le Male mit Teams von bis zu 12 Mit­glie­dern durch­ge­führt, in Prä­senz und auch im vir­tu­el­len Raum. Jedes Mal ist nach die­ser Ein­heit eine für mich sehr ver­trau­ens­vol­le Stim­mung und eine frucht­ba­re Basis für die dann fol­gen­de inhalt­li­che und struk­tu­rie­ren­de Arbeit entstanden. 

Beim Aus­pro­bie­ren wün­sche ich viel Erfolg und Freude.

Bit­te berich­ten Sie von Ihren Erfah­run­gen in den Kom­men­ta­ren zu die­sem Blog­bei­trag. Oder Sie schi­cken ein­fach eine Mail an carsten.holtmann@next‑u.de. Dan­ke schön!

Hin­ter­grund: Ent­stan­den ist die­se Team-Übung auf Basis der Arbei­ten von Micha­el Fasching­bau­er und René Mau­er, bei denen ich vor 5 Jah­ren mei­ne Aus­bil­dung zum Effec­tua­ti­on Expert absol­vie­ren durf­te. (Don’t hesi­ta­te – effectuate!)

Zum Pro­fil von Cars­ten Holt­mann.

Flipchart-Grafiken: Bir­te Holt­mann / Holtmann-Beratung

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